© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/97  10. Oktober 1997

 
 
Steuerverschwendung: Wie der Staat ungebremst Geld verplempert
Rasch mal ´ne Million
von Martin Otto

Das "Schwarzbuch der öffentlichen Verschwendung", das der Bund der Steuerzahler Ende September zum 25. Mal vorlegt hat, ist ein erschreckendes Protokoll über den Umgang mit öffentlichen Geldern. 110 Fälle dokumentieren das zuweilen kafkaeske Ausmaß der Verplemperung von Steuergeldern. In zahllosen Fällen stank das Verpulvern von Steuergeldern so zum Himmel, daß sich der Steuerzahlerbund gezwungen sah, Anzeige wegen Veruntreuung öffentlicher Mittel zu erstatten. Und auch in diesem Jahr werden nach Schätzungen dieser Organisation insgesamt 65 bis 70 Milliarden Mark in den Ofen geschmissen.

Ein besonders simples Beispiel: Darmstadt. Eine deutsche Großstadt mit den üblichen Problemen, vielleicht etwas weniger Schulden, etwas weniger Sozialfällen, aber auch die fiskalisch "fetten" achtziger Jahre scheinen unendlich weit. Dennoch schien diesen Sommer hier das Geld auf der Straße zu liegen. Jeder Einwohner, der sich zum Kauf einer wassersparenden Waschmaschine entschlossen hatte, erhielt von den Stadtvätern einen Zuschuß von fünfzig Prozent des Kaufpreises bar auf die Hand gezahlt, immerhin je nach Modell rund tausend Mark pro Maschine. Die Aktion erwies sich als voller Erfolg, zumindest für die Darmstädter Elektrofachgeschäfte. 2.500 Bürger, machten von dem Angebot Gebrauch. Binnen zwei Wochen war der mit 2,5 Millionen Mark bemessene kommunale Waschmaschinenetat aufgebraucht; die an sich auf eine Dauer eines halben Jahres veranschlagte Wassersparaktion mußte mehr als verfrüht abgebrochen werden.

Die vielleicht berechtigte Freude der Bürger, auch in Zeiten der Rezession in den Genuß billiger Konsumgüter gekommen zu sein, erfuhr allerdings einen leichten Dämpfer, als sie von der Quelle des ungeahnten kommunalen Reichtums erfuhren. Finanziert wurde die Gießkannenpolitik aus Mitteln der hessischen Grundwasserabgabe. Diese 1992 von der rot-grünen Landesregierung eingeführte Abgabe schlägt jedem Bürger auf die regulären Trinkwassergebühren einen Aufpreis von fünfzig Pfennigen pro Kubikmeter. Die so gewonnenen Gelder fließen in den Landeshaushalt, von wo sie wiederum rührigen Kommunen für sogenannte "Wassersparaktionen" zugute kommen. Eine solche war die Darmstädter Waschmaschinenaktion. Selbst das Wiesbadener Umweltministerium sah ein, daß hier wohl zuviel des Guten getan wurde und empfahl, fortan Waschmaschinen nur noch mit höchstens zweihundert Mark und ab dem nächsten Jahr gar nicht mehr zu bezuschussen.

Immerhin hat Darmstadt seinen unter saftigen Kommunalabgaben schon genug leidenden Bürgern zumindest einen Teil der ungeliebten Grundwasserabgabe in Form von Waschmaschinen zurückerstattet. Das Beispiel ist willkürlich gewählt. Der unverantwortliche Umgang mit Steuergeldern ist beileibe kein Privileg einer bestimmten Partei. Darmstadt ist überall, auch wenn nicht überall Waschmaschinen verschenkt werden. Die seit Jahren von Politikern aller Couleur ohne jedes Ergebnis im Munde geführte Steuerreform ist angesichts solcher Verschwendungsorgien zur bloßen Sprechblase verkommen.

Nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, sieht manch ein Politiker die Gelegenheit, sich als Befürworter einer stärkeren Ausgabenbegrenzung zu gerieren. So etwa ein Beigeordneter des Main-Kinzig-Kreises im Hanau, der Sozialhilfeempfängern Kontrolleure nach Hause schickte, um dem Sozialbetrug Herr zu werden. So weit, so gut. Der einsame Kämpfer im Streit gegen den Sozialmißbrauch erhielt auf eigenen Wunsch im letzten Jahr einen Dienstwagen im Werte von 90.000 Mark, davon 23.000 Mark nur für Sonderausstattungen. Damit, so das Schwarzbuch, fährt er ein gut 20.000 Mark teureres Dienstauto als der hessische Ministerpräsident. Limousinen für Kreisbeigeordnete. Waschmaschinen für mündige Bürger. Brot und Spiele scheint der vielbesungene Standort Deutschland noch herzugeben.


 
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