© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/97  17. Oktober 1997

 
 
Medien: Andreas Mölzer über die neue Wiener Wochenzeitung" Zur Zeit" / Enge Kooperation mit der JF
"Endlich auf eigenen Füßen stehen "
von Dieter Stein

 Herr Mölzer, ab der nächsten Ausgabe erscheint in Österreich statt der JF-Österreich eine neue Wochenzeitung namens "Zur Zeit". Koppeln Sie sich jetzt von Deutschland ab?

Mölzer: Von Abkoppeln kann gar keine Rede sein. Wir schaffen vielmehr das, was wir seit dem Start der Österreich-Ausgabe der jungen freiheit im Oktober 1995 immer vorhatten: nämlich auf eigenen Füßen zu stehen. Daher kann von Abkoppeln oder gar vom Scheitern der jungen freiheit-Österreich überhaupt keine Rede sein, es handelt sich vielmehr um die geplante Weiterführung, um ein Aufbauprojekt, wie es für uns von Anfang an als Perspektive im Raum gestanden ist.

Weshalb trägt die Wochenzeitung nun einen anderen Namen?

Mölzer: Wir müssen signalisieren, daß es sich hier um eine eigenständige österreichische Zeitung handelt. Mit eigenständigem Verlag, mit eigenständiger Redaktion mit einem neuen Konzept und auch mit einem eigenwilligen Leserpublikum, wie es in dieser Art nur in Österreich vorhanden ist.

Das wäre mit der Weiterführung des Namens Junge Freiheit-Österreich nicht möglich gewesen?

Mölzer: Wir haben uns nach einem entsprechenden Testverfahren durch die Marktforschung für den Namen Zur Zeit entschieden, da uns dieser Titel am offensten für alle Entwicklungsmöglichkeiten erschien. Unseren Analysen zufolge wäre es ein Fehler, als Dependance eines bundesdeutschen Medienprojekts zu erscheinen. Eine neue unverwechselbare, österreichische Identität für dieses Medium zu entwickeln, ist zweifellos eine zentrale Aufgabe. Überdies sind die Blattmacher und auch die Verantwortlichen für den Verlag und das Marketing lauter gestandene Medienleute auf der Höhe ihres Wirkens, die dem jugendlichen Charakter, wie es ja der Titel junge freiheit verlangt, nicht mehr so ganz entsprechen. Den treuen Abonnenten der JF-Österreich wollen wir deshalb auch die Botschaft übermitteln: Die Junge Freiheit-Österreich ist erwachsen geworden.

Und wie sieht das neue inhaltliche Konzept aus?

Mölzer: Es gibt in der österreichischen Printmedien-Landschaft zweifellos eine Lücke, und das ist der Bereich der Wochenzeitungen. Nun gibt es politische Magazine, es gibt Illustrierte, aber Wochenzeitungen, wie es sie im klassischen Sinne in der Bundesrepublik mehrfach gibt, von der jungen freiheit bis zur Zeit, vom Rheinischen Merkur bis zur Welt am Sonntag oder Bild am Sonntag, gibt es in der Alpenrepublik keine von nennenswerter Qualität und Quantität. Schon gar nicht gibt es eine konservative, rechtsintellektuelle Wochenzeitung. In diese Lücke werden wir stoßen, wobei wir auf möglichst anspruchsvollem Niveau – es geht eben um die rechtsintellektuelle Nische, und die ist nicht so klein wie man glaubt – ein im weitesten Sinne bürgerliches Publikum, von christlich-konservativ bis nationalliberal, bedienen wollen. Natürlich wird es im Gegensatz zur bisherigen JF-Österreich eine Reihe von redaktionellen Veränderung geben. So zum Beispiel ein "Thema der Woche" als eigentlichen inhaltlichen Schwerpunkt des Blattes, mit Pro- und Kontra-Stellungnahmen prominenter Zeitgenossen und mit der Möglichkeit für eine breite Leserbeteiligung zum betreffenden Thema.

Wer werden die Blattmacher sein?

Mölzer: Zur Zeit wird von einem jungen redaktionellen Team unter meiner Leitung gemacht werden, das zum Teil den Lesern der jungen freiheit bereits bekannt ist. Mit Jürgen Hatzenbichler wird ein leitender Redakteur tätig, der trotz seiner Jugend bereits seit Jahren publizistisches Profil erringen konnte. Die Kunsthistorikerin Petra Müller wird den Kulturteil machen. Mit dem Journalisten Klaus Wiesinger steht uns ein erfahrener Chef vom Dienst zur Verfügung. Der Volkswirtschafter Christian Pirker wird den Wirtschaftsteil betreuen, René-Lysander Scheibe und Roland Zingerle werden den Gesellschafts- und Zeitgeistteil betreuen. Darüber hinaus gibt es eine Reihe junger freier Mitarbeiter. Ein spezielles und für die Öffentlichkeit klar umrissenes Profil wird das Projekt durch seine ständigen Kolumnisten erhalten. Hier setzen wir Signale in alle Richtungen, in alle Bereiche unserer Zielgruppe. Freiheitliche, Querdenker und Nonkonformisten wie der Sicherheitsexperte Erich Reiter, der Historiker Lothar Höbelt werden ebenso schreiben wie der bekannte ehemalige FAZ-Korrespondent Andreas Graf Razumovsky oder der konservative Osteuropa-Experte Carl-Gustav Ströhm. Aus dem christlich-konservativen Bereich steht uns der Theologe Robert Prantner zur Verfügung, und selbstverständlich wollen wir bewährte Kolumnisten aus der JF-Österreich mit in unser Projekt übernehmen.

Die Wochenzeitung "Zur Zeit" wird eine wirtschaftlich eigenständige Zeitung, an der die JF nur noch mit einer Minderheitsbeteiligung mit von der Partie ist. Wen konnten Sie als zusätzliche Partner gewinnen?

Mölzer: Herausgeber und Verleger von Zur Zeit ist die W3 VerlagsGmbH &CoKG. Dabei gibt es eine operativ tätige GmbH, bei der einige konservative Verleger, aber auch – wie gesagt – die junge freiheit Berlin mit dabei sind. Ebenso Gesellschafter in dieser GmbH sind jene Leute, die die wirtschaftliche Seite dieses Projekts betreuen. Allen voran unser Verlagsleiter Walter Tributsch, ein erfahrener Medien- und Werbefachmann. Die eigentliche Finanzierung kommt aus der österreichischen Wirtschaft. Wir haben es geschafft, daß eine Reihe von Partnern über mittel- und längerfristige Werbeverträge das Projekt stützt. Bereits in der Nullnummer ist mit dem Gastkommentar von Erhard Fürst, dem industriepolitischen Verantwortlichen der Österreichischen Industriellenvereinigung, diese grundsätzliche wirtschaftsfreundliche Haltung signalisiert. Jenen Werbeboykott, den etwa die junge freiheit zu spüren bekommt, werden wir in Österreich mit Sicherheit durchbrechen können.

"Politische Parteien neigen zu Opportunismus" Von Deutschland aus wunderte man sich oft über Ihre kritische Haltung zu Jörg Haider. Wie kommt das? Wir wären froh, gäbe es einen Haider in Bonn.

Mölzer: Ich bin nach wie vor Mitglied der Freiheitlichen Partei Österreichs und habe über einen Beratervertrag die Möglichkeit, mit Jörg Haider selbst ständigen Kontakt und politischen inhaltlichen Austausch zu pflegen. Dies ändert aber nichts daran, daß es auch in einer plebiszitären Erneuerungsbewegung, wie es die FPÖ ist, innerparteiliche Kritik geben muß, die natürlich von einer positiven Einstellung zu gemeinsamen Zielen getragen sein muß. Dies betrifft natürlich ein unabhängiges Printmedium in erster Linie. Wenn man da glauben würde, eine Jubelpostille für die oder jene politische Gruppierung machen zu müssen, läge man einfach daneben. Politische Parteien, natürlich auch die jeweils eigene, neigen zu einem gewissen erfolgsorientierten Opportunismus. Zeitungen, auch solche, die der jeweiligen Partei positiv gegenüberstehen, müssen da immer ein Mahner, ein Stachel im Fleisch bleiben, müssen Mißstände aufzeigen und Fehlentwicklungen, auch personeller Art, kritisieren. Und sie machen sich dabei natürlich häufig bei der Führung der eigenen, eventuell nahestehenden Partei, wenig beliebt. Dieses Schicksal muß man als Zeitungsmacher gelassen hinnehmen. Auch ich wäre froh, gäbe es einen Haider in Bonn oder Berlin, fürchte aber, daß die Bundesdeutschen da mit ihrer politischen Kultur noch viel Arbeit leisten müssen, bis sie soweit sind. Wir haben ihn nun in Österreich, und er ist gottlob überaus erfolgreich. Für ihn und seine Partei ist es aber kein Schaden, wenn es immer wieder politisch-ideologische und inhaltliche Korrektive gibt. Überhaupt wird Zur Zeit von seiner politischen Linie alles, was nicht links ist, positiv kritisch beobachten und kommentieren. Ob das die ÖVP, die FPÖ oder andere politische Gruppierungen sind, ob dies diverse Verbände sind oder Vereinigungen im vorpolitischen Raum. Jubelberichterstattung gibt es da für niemanden.

 

Was werden die Leser der ZZ künftig weiterhin von der JF lesen können und umgekehrt?

Mölzer: Wir wollen selbstverständlich jenes Blatt und unsere Mitarbeiter an diesem Blatt, durch das Zur Zeit erst möglich geworden ist, weder verleugnen noch vergessen. Und wir sind froh, daß ZZ und JF eine längerfristige Kooperation vereinbaren konnten. Diese Kooperation wird in erster Linie natürlich in einem Austausch von Ideen, Beiträgen und Autoren bestehen, und selbstredend wollen wir das Rad nicht neu erfinden, wenn die junge freiheit hervorragende Berichterstattung bietet, die eben auch für den österreichischen Leser interessant ist. Natürlich können wir uns vorstellen, daß prominente Kolumnisten wie Pankraz auch in der ZZ künftighin gelesen werden können. Selbstverständlich können wir uns vorstellen, daß die Autoren auf der Forumseite der JF auch für Österreich interessant sind und daß vielerlei Berichterstattung aus dem Kulturleben aber auch jene über Volksgruppen, Mitteleuropa oder insbesondere bundesdeutsche Politik künftig auch in der ZZ erscheinen soll. Umgekehrt stehen meine redaktionellen Mitarbeiter und ich natürlich auch Gewehr bei Fuß, um der JF den einen oder anderen Beitrag zu liefern – wobei es uns schon klar ist, daß das kleine Österreich für das große Deutschland nicht ganz so interessant ist.


 
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