© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/97  31. Oktober 1997

 
 
Gedenkfeier: Ende der offiziellen Kranzniederlegungen am Siegesdenkmal in Bozen
Ewiggestrige marschieren wieder
von Jakob Kaufmann

Zum Tag der Streitkräfte am 4. November wird das italienische Militär am faschistischen Siegesdenkmal in Bozen keinen Kranz mehr niederlegen. Das römische Verteidigungsministerium hat den Oberkommandierenden des IV. Armeekorps, General Pasquale de Salvia, angewiesen, die Feierlichkeit zu verlegen.

An diesem Gedenktag will sich das Heer nun am Bozener Waltherplatz präsentieren. General de Salvia wird am 2. November, dem Tag der Gefallenenehrung, im Innenhof des Bozener Rathauses einen Kranz niederlegen. Der Gedenktag soll auf dem Soldatenfriedhof, wo auch Tiroler Gefallene liegen, begangen werden. Zusammen mit Vertretern der Stadt Bozen und des Landes Südtirol werden die Soldaten dann im Dom an einem Pontifikalamt teilnehmen.

Ein Ritual, das jahrzehntelang Südtiroler demütigte, ist mit der neuen Regelung offiziell eingestellt worden. Nun wird nicht mehr ausschließlich der italienischen Gefallenen gedacht. Der Sieg Italiens über Österreich im Ersten Weltkrieg steht nicht mehr im Mittelpunkt des Gedenkens. Der Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder wird aus diesem Grund diesmal den Feierlichkeiten zum Tag der Streitkräfte beiwohnen. Auf Betreiben des Südtiroler Schützenbundes sind seit 1991 alle staatlichen Vertreter bis auf die Armee von der Zeremonie ferngeblieben.

Die Kranzniederlegung vor dem Siegesdenkmal war in der Vergangenheit heftig umstritten. Die Postfaschisten setzen die Provokation fort: Die Alleanza Nazionale (AN) unter ihrem Parteichef Gianfranco Fini will unbeirrt zur Gefallenenehrung am 2. November an dem Denkmal einen Kranz niederlegen. Die AN weiß inzwischen bis zu 60 Prozent der italienischen Bevölkerung in Südtriol hinter sich. In einer Presseerklärung hat die Partei die Erhaltung des Denkmals und des Siegesplatzes ausdrücklich zum Schwerpunkt ihres politischen Programms erklärt.

Mussolini selbst hatte die Errichtung dieses Denkmals in seiner berühmten Rede vor dem Parlament am 6. Februar 1926 gefordert, in der er Deutschland und Österreich drohte. Der Bau sollte die italienische Identität Südtirols demonstrieren, an die Märtyrer der Irredenta und an den Sieg über Österreich erinnern. Noch im selben Jahr begannen die Italiener mit der Errichtung des von dem Architekten Marcello Piacentini entworfenen Faschistentempels an der Talfer: In den Grundstein wurde ein Siegesgedicht des Mussolini-Wegbereiters und -gefährten Gabriele d’Annunzio gemeißelt. Das Denkmal steht auf vierzehn Säulen, die wie faschistische Rutenbündel geformt sind. An jeder Säule ist oben ein Beil, das den faschistischen Kampf symbolisiert. Die obere Tempelfront zeigt das Relief einer Siegesgöttin. Gespannt hält sie den Bogen ohne den Pfeil nach Norden gerichtet. Die lateinische Inschrift heißt übersetzt: "Hier sind die Grenzen des Vaterlandes. Von hier aus haben wir den anderen die Sprache, die Gesetze und die Künste vermittelt." Mit den "anderen" sind die "befriedeten" Völker des römischen Imperiums, speziell die besiegten Südtiroler gemeint, die seither italianisiert werden sollen.

Die erneute geschichtspolitische Provokation der Alleanza Nazionale in diesem Jahr trifft aber ins Leere. Der Südtiroler Schützenbund sieht ihrer Zeremonie gelassen entgegen. In einem Interview meinte Landeskommandant Richard Piock: "Ewiggestrige kann man nicht überzeugen."

Die Aktivitäten der Schützen im vergangenen Jahr trugen zur Änderung des offiziellen Festakts bei. Sie drohten damit, sich an die Umzäunung des Denkmals zu ketten. Mit der Aktion wollten sie die Kranzniederlegung verhindern. Der Verein kündigte die Demonstration bei den Behörden an, zog aber seine Pläne wieder zurück. Die Polizei hatte schon die Gegend um den Siegesplatz weiträumig abgesperrt, um die Blockade zu verhindern. Die Schützen blieben aber fern, das Spektakel war vergebens. Die Drohung jedoch wirkte nachhaltig: Sie entfachte eine öffentliche Diskussion um das Siegesdenkmal. Selbst linke Intellektuelle sekundierten dem Traditionsverband in der Debatte. Der damalige Bildungs- und Kulturreferent der Schützen, Peter Paul Rainer, setzte noch eins drauf: Um das alljährliche Ritual zu verhindern, verklebte er in der Nacht zum 4. November das Schloß an der Umzäunung. Die Carabinieri erfuhr vorzeitig von der Aktion und entfernte den Spezialkleber bis zum darauffolgenden Morgen.

Die Kranzniederlegung erschien ohnenhin lächerlich genug. Damit das Militär das überkommene Ritual vollziehen konnte, wurden Hundertschaften der Polizei nach Bozen verlegt. Die eigens errichteten Straßensperren lösten ein Verkehrschaos aus.

Kürzlich ist die Forderung aufgekommen, ein neues Gefallenen-Denkmal zu errichten. Doch so ein Bauvorhaben lehnen selbst AN-Wähler mehrheitlich ab.


 
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