© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/97  07. November 1997

 
 
Im Felde unbesiegt
Unser Schumi!
Von Manuel Ochsenreiter

Deutschland erlebt in diesen Tagen sein neues Versailles. Ankläger ist kein internationales Militärtribunal, sondern der Internationale Automobil-Verband (FIA). Angeklagt ist stellvertretend für seine Nation der deutsche Formel-1 Pilot Michael Schumacher. Die Anklage wurde schon von der internationalen Fachpresse vorformuliert: "Ein nicht perfekter Mordversuch", so Il Messaggero aus Italien. Doch haben uns die Italiener nicht schon immer im Stich gelassen, wenn es mal "heiß" wurde?

Die Briten beschimpfen Schumacher als "schamlos" und prangern seine "Schurkerei" (The Times) an. Alte, längst vernarbte Wunden werden aufgerissen. Die österreichische Presse betitelt unsere Nr. 1 als "nervliche Niete". Kulturelle Verbundenheit? Fehlanzeige.

Pflichtschuldigst zieht die deutsche veröffentlichte Meinung nach. Vom "sympathischen Kerpener" zum "Schumi" aufgestiegen, erlebt unser Stern am Rennbahnhimmel seinen Abstieg als "Herr Schumacher" bis zum "Schummel-Schumi". Und das alles, bevor das Ausland richtig reagiert. Der Dolchstoß ist perfekt.

Und alles nur, weil er Weltmeister werden wollte, denn das mußte er ja eigentlich. Die T-Shirts waren doch bereits gedruckt und die Base-Caps zum Verkauf verpackt.

Schumacher, einst gefeierter Nationalheld, Herr der Zylinder, König der Straßen, muß seinen Podest auf der deutschen Beliebtheitsskala endgültig räumen. Jan Ullrich hat ihn längst erobert, nicht mit Pferdestärken und Reifenqualm, sondern mit geballter Bio-Schenkelkraft.

Schumi ist sich keiner Schuld bewußt. Er ist die deutsche Tragödie, ein Bösewicht: "Der Sport ist hart, da werde ich nicht anfangen nachzugeben", sagte er zur Anklage. Michael Schumacher, der sympathische Kerpener, unser Schumi braucht uns heute mehr denn je.


 
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