© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/97  07. November 1997

 
 
Euro: Streitgespräch zwischen Arnulf Baring und Siemens-Chef Pierer
Zucker in der Teetasse
von Alexander Laubnitz

Der Euro wird kommen." Darin waren sich Arnulf Baring, seit kurzem emeritierter Politik-Professor der Freien Universität Berlin, und Heinrich von Pierer, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, vor rund 250 Zuhörern am Ende eines von der Berliner FDP veranstalteten Diskussionsabends im ehemaligen Preußischen Landtag einig. Die vorangegangen Ansichten und Bewertungen über die Sinnhaftigkeit der Euro-Währung hätten jedoch nicht unterschiedlicher sein können.

Als überzeugter Pro-Euro-Mann hatte Pierer den Abend mit einem etwas farblosen Vortrag eröffnet. Auf drei Ebenen versuchte er stichhaltige Gründe für das fristgerechte Einführen des Euros darzulegen. Betriebswirtschaftlich sprächen der Wegfall der Kosten für Währungsumrechnung und Währungssicherung für den Euro. Zudem werde eine höhere Markttransparenz in Europa erreicht. Die anfallenden Umstellunsgkosten seien dem wohl entgegenzustellen, jedoch würde zum Beispiel Siemens von einer "Pay-Back-Zeit" von lediglich drei Jahren ausgehen. Da außerdem aufgrund der durch die Jahrhundertwende notwendigen datenverarbeitungstechnischen Umstellung die teilweise veralteten internen Programme sowieso verändert würden, dann könnte man ja auch gleich die Währungsänderung miteinprogrammieren. "Wir verhandeln jetzt schon mit unseren Lieferanten, damit sie ab 1. Oktober 1999 mit dem Euro verrechnen."

Volkswirtschaftlich würden die abnehmenden Transaktionskosten und der dann währungstechnisch einheitliche europäische Markt von 380 Millionen Menschen für den Euro sprechen. Die zu beobachtende Angleichung der europäischen Zinssätze wie auch der Inflationsraten, die seiner Meinung nach ohne Maastricht nicht möglich gewesen wären, seien der ein weiterer Beweis für die Notwendigkeit der gemeinsamen Währung. Inwieweit dieses Stabilitätsdenken auch nach der Einführung des Euro bestehen werde, kommentierte Pierer in seinem Vortrag nicht.

Als "gescheiterter Bundestagsabgeordneter", wie sich Heinrich von Pierer bezeichnete – ihm fehlte in den 70er Jahren eine Stimme zur Nominierung in seinem fränkischen Wahlkreis, um über die CSU in den Bundestag zu gelangen – nahm er auch zur politischen Dimension Stellung. Die gemeinsame Währung werde die Vereinigung Europas vorantreiben. Zudem sei zur Wahrung wirtschaftlicher Interessen die politische Machtkomponente auf den Weltmärkten zunehmend von Bedeutung, was gerade die USA "kraftvoll" dokumentiere.

Barings Plädoyer gegen den Euro ließ im Saale die Herzen sogleich höher schlagen. Sicherlich wären die Argumente von seinem Diskussionspartner richtig, nur würden überlagernde und in seinen Augen für den Erfolg der Einführung des Euros wesentliche soziopsychologische Aspekte außer Acht gelassen. Erstens sei die deutsche Bevölkerung mehrheitlich gegen den Euro eingestellt. Solange es unsere "Provinzpolitiker" "abgehoben vom Volk" nicht für nötig halten würden, wie in anderen europäischen Ländern eine aufklärerische Debatte über Chancen und Risiken in der Öffentlichkeit zu führen, sähe er große Gefahren auf die Demokratie in Deutschland zukommen. Daß gerade bei einer so wesentlichen Fragestellung wie die Aufgabe der bewährten und allseits respektierten Bundesbank in einem an Nationalsymbolen armen Volk wie Deutschland keine Volksabstimmung erfolgen solle, könne er nicht akzeptieren.

Zweitens sei das verfolgte Ziel bei dieser Währungsunion überhaupt noch nicht geklärt. Verfolge man ein Freihandelseuropa (wie das die Engländer wollten), wolle man eine Union mit föderalen Elementen (wie das vielleicht Deutschland wolle) oder solle es ein zentralistisch gesteuertes Europa unter französischer Herrschaft sein, "in dem sich vor allem Deutschland wie der Zucker in der Teetasse auflösen" solle? Die von Baring mehrmals gemachte Aussage, daß Frankreich der Vereinigung Deutschlands nur unter der Bedingung zugestimmt habe, wenn im Eintausch die DM aufgegeben werde, gab diesem Aspekt noch mehr Schlagkraft.

Außerdem konnte Baring darauf hinweisen, daß die Einführung einer gemeinsamen Währung vor der eigentlichen politischen Vereinigung verschiedener Staaten ein in der Menschheitsgeschichte einmaliger Akt sei. So sei nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 die gemeinschaftliche Reichsmark erst 1924 eingeführt worden. Die von Pierer eingeworfene Bemerkung, der Euro komme jetzt nun mal und man habe sich damit abzufinden, konterte Baring mit seiner persönlichen Erfahrung, daß er als Kind diese Argumentationsweise auch schon nach der Kriegserklärung an die USA gehört habe.

"Die Einführung des Euro muß verschoben werden", betonte Baring. Dies bedeute ja nicht, daß er deswegen gegen Europa sei. Pierers Ausspruch, "Verschieben ist abbrechen", fand weder beim Auditorium noch bei Baring großen Anklang, der treffend von "Panikmache" sprach. Schließlich mußte Baring mit den Worten "Herr von Pierer, dieser Applaus gebührt Ihnen genauso wie mir" soweit gehen, die vor allem ihm zugedachten Beifallsstürme auch auf den Siemens-Chef zu lenken. Daß dieses, wie Baring anfangs festgestellt hatte, gerade in dem Gründungsraum der KPD stattfand, gab der ganzen Situation eine fast groteske Note.


 
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