© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/97  14. November 1997

 
 
Irak-Krise: Die USA vertreten schlicht ihre nationalen Interessen
Bill Clinton geht Golf Spielen
von Michael Wiesberg

 Jeden Schritt, den die Iraker machen, so schreibt die AP-Korrespondentin Jackie Shymanski in einem Bericht, würde von Bord des Flugzeugträgers USS Nimitz, des größten Kriegsschiffes, das die US-Navy derzeit zur Verfügung hat, beobachtet werden. "Wir haben hier in der Golfregion", so gibt Admiral Jon Nathman zu Protokoll, Befehlshaber einer sieben Kriegsschiffe umfassenden Einheit, "genügend militärisches Potential versammelt. Dies sollte eine überzeugende Botschaft für die irakische Regierung sein."

Diese entschlossenen Worte deuten darauf hin, daß ein erneuter Krieg zwischen Irak und den USA und ihren Verbündeten nicht mehr auszuschließen ist. Ein Konflikt, aus dem der Irak nach Lage der Dinge nur als Unterlegener hervorgehen kann. Warum, so muß man sich fragen, läßt sich Saddam Hussein dennoch auf dieses Spiel ein? Die Antwort ist: Das Wirtschaftsembargo, das seit dem Ende des Golfkrieges auf dem Irak lastet, hat sich zu einer existentiellen Krise für den Irak ausgeweitet. In vielen Regionen hungern die Menschen. Die gesundheitliche Versorgung ist katastrophal. Riesig sind die Verluste, die dem Irak durch die weitgehende Einschränkung der Erdöltransporte entstanden sind. Diese Verluste müssen vorsichtig auf etwa 100 Milliarden Mark geschätzt werden. Und ein Ende des Embargos und der demütigenden Kontrollen für den Irak sind noch nicht abzusehen. Saddam Hussein erscheint deshalb eine kriegerische Auseinandersetzung, die dem irakischen Volk zumindest seine Würde läßt, als das kleinere Übel. Und er hofft auf Solidarisierungseffekte, nicht nur in der arabischen Welt, sondern auch in China und Rußland. Die Alternative zum Krieg lautet für den Irak hingegen langsames Siechtum oder vollständige Unterwerfung unter die Auflagen der UNO, die einmal mehr den Legitimationsrahmen für die geostrategischen Interessen der USA abgibt. Diese Interessenlage wird in Deutschland bezeichnenderweise kaum registriert – was nebenbei ein trauriges Licht auf die unkritische Übernahme amerikanischer Positionen durch die deutsche Presse wirft. Aus Saddam Hussein wurde sehr schnell "Hitlers Wiedergänger", ein Feind der Menschheit und ständige Bedrohung der Fiktion "Weltgemeinschaft".

Doch nicht nur Saddam Hussein wurde hier ähnlich wie Libyens Ghaddafi das Böse schlechthin. Deutschland hat 1991 unter internationalem Druck 18 Milliarden Mark für den Kreuzzug der Amerikaner am Golf bezahlt. Eine souveräne deutsche Regierung hätte angesichts der Kassenlage längst einen ordentlichen Teil dessen wieder zurückgefordert.

Die USA vertuschten mit der Legende vom gerechten Krieg am Golf, daß dieser Krieg der erste Krieg der "neuen Weltordnung" unter amerikanischem Vorzeichen war. Wir erinnern uns: Die amerikanische Botschafterin April Glaspie signalisierte Saddam Hussein kurz vor Ausbruch des Golfkrieges, daß die USA kein strategisches Interesse an Kuwait hätten. Kuwait hatte durch seine Dumping-Preise für Erdöl den Irak in eine kritische Lage gebracht und sich beharrlich geweigert, seine Preispolitik zu ändern. Ermutigt durch diese Äußerung marschierte Saddam in Kuwait ein, was den USA den Vorwand zur "Operation Wüstenstrum" gab.

Nur vordergründig ging es um Demokratie und den Diktator Saddam Hussein – sonst wäre er nicht nach wie vor an der Macht. Tatsächlich ist das Ziel die Kontrolle über die Erdölvorkommen am Golf. Dieses Ziel erreichten die USA unter williger Mithilfe des europäischen Teils der "westlichen Wertegemeinschaft". Die Quittung dafür ist die gesteigerte Abhängigkeit Europas von der amerikanischen Kontrolle der Rohstoffressourcen.

Jetzt droht ein Krieg mit dem Irak, der sich den Repressalien der USA nicht länger beugen will. Und erneut drohen sich die europäischen Staaten hierfür instrumentalisieren zu lassen. Daß die Abhängigkeit von den USA damit noch zunimmt, wird in Kauf genommen.


 
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