© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/97  14. November 1997

 
 
Neubewertung: Bis zum September 2009 muß das Hermannsdenkmal bei Detmold gesprengt werden
Entschuldigung an Rom überfällig
von Gerhard Eiselt

Im Herbst 2009 ist das zweitausendjährige Gedenkjahr der Varusschlacht. Damit trennen uns nur noch zwölf Jahre von diesem ungewöhnlich schwierigen Gedenken, dessen richtiger Inhalt von der richtigen Sicht des Ereignisses abhängt.

Die Tatsachen: Die Besatzungsarmee der neu entstehenden römischen Provinz Germania von drei Legionen nebst Hilfstruppen unter dem Statthalter Quintilius Varus machte bei dem Marsch vom Sommerlager an der Weser in das Winterlager am Rhein einen Umweg, um einen kleinen Aufstand niederzuwerfen. Der Aufstand war vorgetäuscht, damit ein allgemeiner Germanenaufstand die alliierte Besatzungsarmee vernichten konnte. Anführer des Aufstandes war der bei den Hilfstruppen des Varus als Offizier dienende germanische Fürstensohn Arminius, dem Varus vertraute. Nordöstlich des heutigen Osnabrück wurde die am nördlichen Fuße des Wiehengebirges nach Westen in die Kalkrieser Senke marschierende römische Armee nach Abfall der germanischen Hilfstruppen in einer dreitägigen Schlacht vernichtet. Nur einige Versprengte entkamen, ein kleiner Teil fiel in Gefangenschaft, Varus und einige Offiziere nahmen sich das Leben. Abgesehen von einigen Strafexpeditionen des Germanicus verzichteten die Römer auf die Eroberung Germaniens. Während Gallien romanisiert wurde, blieb Germanien sprachlich germanisch und politisch frei.

Damit war die Voraussetzung geschaffen, daß 800 Jahre später aus den Teilungen des mehrsprachigen Reiches Karls des Großen in einer mehrere Jahrzehnte dauernden Entwicklung das deutsche Reich entstand. So spielt die Varusschlacht für die Entstehung der deutschen Identität eine wichtige Rolle.

Die politische Korrektheit, die über die Medien den Zeitgeist formt, duldet jedoch keine deutsche Identität, die sich auf eine eigenständige deutsche Sprache und Kultur und auf deren erfolgreiche Verteidigung stützt, denn die heutige deutsche Identität hat in Schuldbewußtsein, Bußfertigkeit, Reue und gebückter Körperhaltung zu bestehen. Die erfolgreiche Verteidigung der germanischen Freiheit und Identität durch Arminius ist daher Gift für die noch immer nicht vollendete Umerziehung der Deutschen. Das Jubiläum der Varusschlacht ist deshalb nicht nur störend, es ist sogar höchst gefährlich. Die Deutschen dürfen nicht neben dem, was sie in fruchtbarem geistigen Austausch von ihren Nachbarn übernahmen, ihre eigenen Wurzeln weiterentwickeln und sich ihrer deutschen Identität bewußt sein. Deshalb sind alle fortschrittlichen Kräfte aufgerufen, sich dem Jubiläum der Varusschlacht zu widmen.

Das Modell des Totschweigens ist nicht sinnvoll, weil Feiern unbelehrbarer konservativer Kräfte nicht in jedem Fall als verfassungsfeindlich und neonazistisch verboten werden können. Es sind sogar volksfestartige Veranstaltungen denkbar. Auch ist mit der Veröffentlichung populärwissenschaftlicher Bücher über Arminius mit dem Tacitus-Zitat "ohne Zweifel der Befreier Germaniens" zu rechnen. Deshalb muß der Weg einer frühzeitigen und ständigen Überzeugungsarbeit beschritten werden. Hierzu ist die Mitarbeit aller fortschrittlichen Kräfte unter verstärkter Gleichschaltung der Medien erforderlich.

Die Historker müssen die These vom verderblichen deutschen Sonderweg vertiefen: Die Varusschlacht beendet die frühzeitige Einführung der romanischen Sprache, des römischen Rechts, der Mittelmeerkultur und der regelmäßigen Steuerzahlungen und führte Germanien und Deutschland auf einen Sonderweg, der über die Gründung des Deutschen Reiches, die Ostkolonisation, Martin Luther, Friedrich den Großen und Bismarck zwingend zu Hitler und damit in die deutsche Katastrophe führte. Erst ein europäischer Bundesstaat würde die Fehlentwicklung beenden. Der Beginn der Fehlentwicklung darf keinesfalls als identitätsbewahrendes Ereignis begangen werden, sondern nur als Tag von Reue, Umkehr und Absage an die deutsche Identität.

Die Soziologen müssen darauf hinweisen, daß Tacitus in seiner Germania dem sittenlosen Rom eine sittenstrenge germanische Gesellschaft gegenüberstellt, in der die Ehe höchstes Ansehen genoß, die Kinderzahl nicht beschränkt wurde und widernatürliche Unzucht mit dem Tod durch Versenkung im Moor bestraft wurde.

Das Bundesverteidiungsministerium muß betonen, daßder Aufstand von Arminius mit einem Treuebruch begann, weil er als römischer Offizier zur Treue verpflichtet war. Im Gegensatz zu Arminius habe dessen Bruder Flavus als römischer Offizier im Heer des Germanicus Rom die Treue gehalten, als beide Brüder sich auf Rufnähe an den Weserufern gegenüberstanden und Flavus von Arminius zum Übertritt auf die germanische Seite aufgefordert wurde.Es wird zu betonen sein, daß die Germanen in der Varusschlacht nur wenige Gefangene machten und nach dem antiken Schriftsteller Florus Gefangene erst nach Folterung töteten: der Beginn deutscher Kriegsverbrechen. Damit besteht Grund für eine Ausstellung "Deutsche Kriegsverbrechen seit Arminius", bei deren Gestaltung das Militärgeschichtliche Forschungsamt auf die bewährten Angehörigen seiner sogenannten "roten Zelle" zurückgreifen kann, auch wenn sie zumeist im Ruhestand sind.

Rechtzeitig vor dem Jubiläum muß das Hermannsdenkmal bei Detmold beseitigt werden. Die Begründung, dort habe die Schlacht nicht stattgefunden, ist zu vermeiden, weil sonst die Forderung erhoben würde, am richtigen Schlachtort ein Denkmal zu errichten. Das Hermannsdenkmal ist, ebenso wie das Völkerschlachtdenkmal bei Leipzig, als nationalistisches Mahnmal zu sprengen.

Zum Jubiläum ist eine Buß- und Reuedelegation nach Rom zu entsenden, um Sühne für die dem rechtswidrigen Aufstand zum Opfer gefallenen Römer anzubieten. Der Delegation sollten neben dem Bundespräsidenten oder dem Bundeskanzler, der Präsidentin des Bundestages und anderen prominenten Politikern, die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen angehören, weil in deren Ländern der Schwerpunkt des Aufstandes lag. Der Vorschlag, die Mitglieder der Delegation sollten nach dem Vorbild der Statuengruppe von Rodin "Die Bürger von Calais" im Bußgewand mit einem Strick um den Hals sich selbst als Sünder anbieten, geht zu weit, weil das Leben der Politiker keinesfalls dem Risisko ausgesetzt werden darf, daß in Rom eine erregte Menge sie spontan unter "Priebke, Priebke"-Rufen aufknüpft. Statt dessen könnte nach neudeutscher Tradition für die etwa 16.000 toten Römer ein Sühnescheck über 40 Millionen Euro überreicht werden. So dürfte politisch korrekt das Jubiläum der Varusschlacht bewältigt werden, ohne daß das deutsche Volk Schaden an seiner Seele nimmt.


 
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