© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/97  21. November 1997

 
 
Juan Donoso Cortés: Über die Diktatur. Drei Reden
Wenn der Ernstfall droht
von Friedrich Romig

Allein des einfühlenden Vorwortes von Günter Maschke wegen sollte zu den von ihm sorfältig edierten drei großen Reden gegriffen werden, die Juan Donoso-Cortés vor dem spanischen Parlament gehalten hat. Auch im Hinblick auf die 150-Jahr-Feier der Revolution von 1848 sollten diese Reden wiedergelesen werden, denn aus ihnen wird einsichtig, welch große Schuld ein Bürgertum auf sich geladen hat, das die "haltenden Mächte" der Gesellschaft, Thron, Altar und Adel, zu stürzen trachtete. Donoso-Cortés wußte wie kein Zweiter, daß dem Sozialismus und seinen Demagogen nicht mit liberaler Entscheidungsscheue beizukommen war.

Nach dem Tod der Freiheit, der mit dem Sturz der souveränen Monarchien eintrat, blieb nur noch die Wahl zwischen der Diktatur des Aufstands oder der Diktatur der Regierung, der Diktatur von unten oder der Diktatur von oben, der Diktatur des Dolches oder der Diktatur des Säbels. "Ich wähle die Diktatur des Säbels, weil sie die reinere ist", läßt Donoso-Cortés über seinen Standort keinen Zweifel. Die "Diktatur des Säbels" als Ausdruck äußerer Unterdrückungsgewalt wird unausweichlich, wenn die "religiöse Temperatur" dem absoluten Nullpunkt zustrebt und die inneren Bindungskräfte in Mensch, Gesellschaft und Staat sich lockern. Mit der Religion geht immer auch die Freiheit unter, sie macht dem Despotismus Platz.

Theismus, Deismus, Pantheismus und Atheismus, also die Denkmöglichkeiten zur Bestimmung des Verhältnisses von Mensch und Gesellschaft zu Gott, bestimmen nach Donoso-Cortés auch die Staats- und Regierungsformen: Aus dem Theismus, das heißt der Bejahung der Existenz Gottes, seiner Herrschaft und Regierung im Himmel und auf Erden, folgt für die Politik die Bejahung der Monarchie, in der der König über seine "Subjekte" herrscht und regiert. Der Deismus, die erste Form der Verneinung, bejaht zwar noch die Existenz und Herrschaft Gottes, doch leugnet er dessen Regierung der irdischen Dinge. Ihm entspricht jene Art von Monarchie, die dem König die Regierungsgewalt abspricht. Vom Deismus ist der Schritt zum Pantheismus nur kurz. Der Pantheist leugnet den persönlichen Gott: "Gott ist alles, was wir sehen, alles, was lebt, alles, was sich bewegt: Gott ist die Menschheit". Gott herrscht nicht und regiert nicht. Und deshalb ist auch die Macht in dieser Welt nicht an eine Person gebunden, sondern "die Macht ist die Menge", die Regierung die "Mehrheit", die Regierungsform die Demokratie und die Staatsform die Republik. Dann erscheint der Atheist und sagt: "Weder herrscht Gott, noch regiert er, noch ist er eine Person, noch ist er die Menge: es gibt gar keinen Gott!". Und weil es keinen Gott gibt, so darf es auch keine Regierung geben, sondern nur eine "herrschaftslose Gesellschaft" (heute noch Programm der Sozialdemokratischen Partei Österreichs!). Das aber ist die Anarchie! Sie kann nur durch die Diktatur verhindert werden: Entweder durch die Diktatur der Menge samt ihren offenen und hinterhältigen Formen des Totalitarismus, dann sprechen wir von einer jakobinischen Demokratie; oder durch die Diktatur des Säbels, dann wenigstens besteht noch eine, wenn auch nur geringe Hoffnung für ein Wiederansteigen der religiösen Temperatur und der Freiheit. Aber "unglücklicherweise habe ich niemals ein Volk gesehen, das zum Glauben zurückfand, nachdem es ihn verloren hatte".

Donoso-Cortés ist Konservativer. Seine Haltung läßt sich in sechs Punkten zusammenfassen: 1. Bejahung der Monarchie unter Mitsprache der Stände; 2. Ablehnung der Volkssouveränität und all ihrer Implikationen; 3. Ablehnung der Revolutionen und Bevorzugung der schrittweise vorzunehmenden Reformen zwecks Anpassung an die sich ändernden Zeiten und Umstände; 4. Verteidigung der überlieferten Religion, der einträchtigen Zusammenarbeit von Kirche und Staat sowie des Einflußes der Religion auf Kultur und Erziehung; 5. Verteidigung des nationalen Lebensstils und der ihm entsprechenden Ordnung; 6. Wahrung der Autonomie- und Sonderrechte der Provinzen und Auflehnung gegen den überbordenden Zentralismus.

Wer in die Grundprinzipien politischen Denkens eingeführt werden möchte, der suche sie an den Quellen auf. Aus Juan Donoso-Cortés, diesem großen Spanier, sprudeln sie lebendig hervor. Dem Karolinger-Verlag ist zu danken, daß er sie uns in seiner "Bibliothek der Reaktion" leicht zugänglich macht.

 

Juan Donoso Cortés: Über die Diktatur. Drei Reden aus den Jahren 1849/50. Hrsg., aus dem Spanischen übertragen und kommentiert von Günter Maschke, Karolinger Verlag,Wien 1996, 166 Seiten, geb., 48 Mark


 
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