© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/97  21. November 1997

 
 
Wiedergutmachung: Leistungen ohne absehbares Ende
Globalzahlungen
von Roland Schroeder

Völlig selbstverständlich leistet Deutschland Wiedergutmachung auch an jene, die gemäß Londoner Schuldenabkommen von 1953 zu den Nicht-Berechtigten gehören, und schon mehrfach hat Deutschland Wiedergutmachungs-Vereinbarungen für NS-Opfer als "endgültige Abschlußregelung" deklariert. Zwar können Geldleistungen nicht wirklich "wiedergutmachen", trotzdem macht es einen Unterschied, ob im Namen des eigenen Volkes begangenene Verbrechen nur verbal bedauert werden oder mit ungeheurem materiellem Einsatz zu sühnen versucht werden.

Nach offiziellen Angaben hat die Bundesrepublik allein bis Ende 1987 80,5 Milliarden Mark Wiedergutmachungsleistungen erbracht. Darin sind die von den Sozialversicherungsträgern erbrachten Leistungen noch nicht enthalten. Seltsamerweise waren sämtliche Bundesregierungen außerordentlich zurückhaltend, wenn es darum ging, den Gesamtumfang dieser historisch einmaligen Wiedergutmachung offenzulegen. Immerhin setzte sie zu einem Zeitpunkt ein, zu dem Deutschland selbst noch aufgebaut werden mußte und hält bis heute an, wo die finanziellen Leistungen längst von Generationen erbracht werden, die an NS-Verbrechen in keiner Weise beteiligt waren. Über 80 Prozent jener Mittel gingen ins Ausland, vor allem in die USA und nach Israel. Die ins Ausland überwiesenen Renten werden dabei ebenso dynamisiert, wie die Renten für die eigenen jahrzehntelangen Beitragszahler. Man rechnet noch im Jahre 2000 mit fast 100.000 derartigen Rentenempfängern und mit Zahlungen bis ins Jahr 2037.

Umgekehrt waren andere Staaten nicht bereit, deutschen Opfern Wiedergutmachung zu gewähren. Kein sowjet-russischer Politiker hat je das Angbeot unterbreitet, den in Sowjet-Konzentrationslagern unschuldig Inhaftierten zahlungen zu leisten. Kein Fonds der Roten Armee oder der Russischen Streitkräfte stellte jemals auch nur einen Rubel bereit, aus dem Zahlungen an Frauen hätten geleistet werden können, die 1945 von sowjetischen Armeeangehörigen barbarisch mißbraucht wurden. Wann hat man jemals ein Wort tschechischer oder polnischer Politiker vernommen, den überlebenden Opfern der Vertreibung Wiedergutmachung anzubieten? In Ziffer 4 der Deutsch-Tschechischen Erklärung vom 21. Januar 1997 wird festgestellt, daß die Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden Fragen belastet werden sollen. Kaum waren die Unterschriften unter dem Papier getrocknet, bekräftigte die tschechische Föderation jüdischer Gemeinden, daß Deutschland weiterhin zu jeglicher Form von Entschädigung verpflichtet sei.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs errichtete Deutschland in Absprache mit der Jewish Claims Conference in Rußland, Polen und der Ukraine Stiftungen im Gesamtvolumen von einer Milliarde Mark. Im Gegenzug hatte sich die Jewish Claims Conference bereiterklärt, bis zum Jahre 1999 keine weiteren Forderungen an die Bundesregierung heranzutragen. Doch schon im Sommer 1997 wurde sie mit neuen Finanzforderungen vorstellig.

Trotz der katastrophalen Haushaltslage unterstützen Grüne und Sozialdemokraten diese Forderung massiv. Auch Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland, kritisierte "den deutschen Standpunkt, wonach durch Globalzahlungen an Polen, Rußland und die Ukraine eine Entschädigung geleistet worden sei. Eine mögliche Einmalzahlung an die NS-Opfer reiche nicht aus".


 
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