© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/97  28. November 1997

 
 
Dänische Volkspartei: Schon von dem Einzug in die Kommunalparlamente viel erreicht
Ein Komet am Parteienhimmel
von Jochen Arp

 

Wer am Abend der Kommunalwahl in unserem nördlichen Nachbarland die Berichterstattung von "Danmarks Radio" verfolgte, dem fiel auf, daß immer wieder der Name der Dansk Folkeparti fiel, der Dänischen Volkspartei. Diese erst vor zwei Jahren als Spaltprodukt der rechtsgerichteten Fortschrittspartei entstandene Gruppierung wehrt sich vehement gegen die weitere Zuwanderung von Ausländern und den drohenden Verlust der dänischen Identität in einer Europäischen Union.

Obwohl die Volkspartei letztendlich nur knapp sieben Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, ist sie dennoch für viele der in Dänemark besonders zahlreichen Parteien eine Angstgegnerin. Erfahrene Politiker des Landes trauen ihr zu, bis zur Folketingwahl 1998, also der Wahl zum dänischen Parlament, die Stimmenzahl zu verdoppeln. Immerhin kandidierte der Senkrechtstarter in der dänischen Parteienlandschaft diesmal nur in 150 der rund 300 Gemeinden und gewann dort immer um die zehn Prozent der Wähler (in Kopenhagen wurden beispielsweise 9,9% und sechs Sitze erreicht). In ein paar Kommunen können nun die errungenen Sitze aus Personalmangel nicht einmal besetzt werden.

Es war ein Schock für alle etablierten Kräfte in Dänemark, als sechs Wochen vor der Wahl die Dansk Folkeparti bei Umfragen auf vierzehn Prozent kam. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Rasmussen reagierte blitzschnell: Er entließ seine Innenministerin, die für die allzu großzügige Einwanderungspolitik verantwortlich gemacht wurde, und ersetzte sie durch einen Pragmatiker. Dieser stockte die Finanzmittel für die dänische Polizei sofort deutlich auf, sorgte dafür, daß an der deutsch-dänischen Grenze, über die die meisten der illegalen Einwanderer kommen, die Polizeikräfte erheblich verstärkt wurden, und rief eine Eingreiftruppe ins Leben, die im Hinterland der Grenze nach den Illegalen fahnden soll, um sie dann abschieben zu können.

Das alles erschien umso notwendiger, als die ebenso radikale wie skurrile dänische Nationalsozialistische Partei Kommandos an die Grenze geschickt hatte, die auf eigene Initiative illegale Grenzgänger aufspürten und der Polizei auslieferten. Nun übernahmen die Sicherheitskräfte die bislang vernachlässigten Aufgaben.

So konnte bei der Wahl "das Schlimmste" verhindert und hinterher aufatmend erklärt werden, der Rechtsruck sei gebremst worden. Interviews, die das dänische Fernsehen am Wahltag auf den Straßen machte, zeigten indes, wie erbittert viele der Befragten über die Zuwanderung aus fernen Erdteilen denken. Ministerpräsident Rasmussen sprach von einem "Weckruf an die Regierung, die Ausländerprobleme in den Städten ernstzunehmen". Dabei beträgt der Anteil der Ausländer an der dänischen Bevölkerung gemessen an anderen europäischen Staaten "nur" 4,5% (unter denen zudem fast die Hälfte aus Skandinavien und EU-Ländern stammt), und die Zahl der Asylbewerber belief sich zuletzt auf rund 5.000 jährlich. Zur Erinnerung: Dank der freizügigen Ausländerpolitik der deutschen Regierung weist die Bundesrepublik heute bereits einen neunprozentigen Ausländeranteil auf.

Auch andere Maßnahmen der Kopenhagener Regierung dürften zur Beruhigung mancher Dänen beigetragen haben. So verlangte noch vor der Wahl die sozialdemokratische Arbeitsministerin sowie der derselben Partei angehörende neue Innenminister, daß Einwanderer in der Lage sein müßten dänisch zu sprechen, wenn sie in den Genuß von "Tagegeldern" (einer Art Sozialhilfe) kommen wollten. Sie sollen an Dänischkursen teilnehmen und mit Erfolg eine Abschlußprüfung ablegen – so jedenfalls der Plan für die nächste Zukunft. Schafft einer die Prüfung nicht, so soll er auch nicht in Dänemark bleiben dürfen, nicht einmal zeitweise. Schließlich sei dann bewiesen, so verlautete zu den neuen Vorschlägen, daß es an dem erforderlichen Integrationswillen fehle.

Das 6,8%-Ergebnis für die Dänische Volkspartei ist zu einem erheblichen Teil auf die Dynamik und Rhetorik der Vorsitzenden Pia Kjærsgaard zurückzuführen, die am Wahlabend jubelte, ihrer Partei sei "ein phantastischer Durchbruch" gelungen. Der Erfolg ging zu Lasten der Fortschrittspartei, die mit etwas über 2% fast verschwunden ist. Doch die Dänische Volkspartei konnte auch aus anderen Parteien Wähler gewinnen. Insbesondere vermochte sie in sozialdemokratische Stammwählerschichten in den Städten einzubrechen. Ob Pia Kjærsgaard das Zeug zu einem skandinavischen Haider hat, bleibt abzuwarten.

Die großen alten Parteien verloren alle etwas. Die Sozialdemokraten landeten bei 33,7% (minus 1,3%), die nationalliberale Venstre-Partei kam auf 25% und die Konservativen auf 12,1%.

In einigen Kommunen im südlichsten dänischen Wahlkreis Nordschleswig/Sønderjylland kandidierte "Den Sønderjyske Borgerliste", jene Gruppierung, die vor einigen Wochen durch medienwirksame Demonstrationen an der deutsch-dänischen Grenze gegen die Schaffung einer grenzübergreifenden "Euroregion Sønderjylland/Südschleswig" protestiert hatte. Sie konnte im gesamten Kreis 5,3% der Stimmen für sich verbuchen und stellt fortan einen Abgeordneten im Amtsrat (=Kreistag). Gedrückt war die Stimmung demgegenüber bei der Partei der deutschen Minderheit in Nordschleswig. Die Schleswigsche Partei, die vor vier Jahren erstmals seit Kriegsende einen – wenn auch geringen – Aufschwung genommen hatte, verlor diesmal 0,6% und liegt jetzt bei nur noch 3,2%. Ihr Amtsratssitz konnte jedoch gehalten werden.

Mit dieser Niederlage setzt sich die Erosion auf dem Gebiet der deutschen Parteipolitik in Nordschleswig fort; die Mitglieder der Volksgruppe richten sich bei Wahlen weniger nach nationalem Zugehörigkeitsgefühl als vielmehr nach gesamtgesellschaftlichen Interessen. Das wirkt sich auf die kulturellen Aktivitäten und beispielsweise auch auf die Schülerzahlen an den deutschen Schulen nicht negativ aus. Letzteres wäre langfristig viel schwerer zu verschmerzen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen