© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/97  28. November 1997

 
 
Seelsorge: Katholischer Verlag sieht die Jugendzeitschrift "Bravo" als Vorbild
"Normal ist, was beiden gefällt"
von Felizitas Küble

Wenn das der heilige Don Giovanni Bosco wüßte! Der nach dem Jugenderzieher und Gründer des Salesianerordens benannte Münchner Don Bosco-Verlag weiß offenbar im Gegensatz zu seinem Namensgeber nicht mehr so recht, woran er sich orientieren soll: an der christlichen Sexualethik oder an der "Macht des Faktischen", genauer: dem, was man für gelebte sexuelle Wirklichkeit hält. Ob die Jugendillustrierte Bravo hier der passende Stichwortgeber sein kann, kann bezweifelt werden. Schließlich wurde das Blatt 1995 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften mehrfach als "jugendgefährdend" eingestuft. Nach dreimaliger Indizierung – wegen pornografischer und gewaltverherrlichender Seiten – wäre ein Verbot des Verkaufs an Jugendliche im Prinzip möglich gewesen. Doch die Bundesprüfstelle verzichtete darauf, Bravo unter den Ladentisch zu verbannen, mit der Erklärung, das Blatt habe Besserung gelobt. Ob das wohl ernstgemeint war?

 

"Bravo" als jugend gefährdend eingestuft

In der Bravo-Girl-Ausgabe sprachen vor kurzem wieder "heiße" Fotos und ebensolche Titel-Schlagzeilen für sich selbst: "Boys intim" – "Mädchenbande: Gewalt ist geil!" Dem Teenie-Blatt ist nichts tabu – außer der Moral, versteht sich. In dicken roten Lettern wird verkündet: "Homo – Hetero – Lesbisch – Bi: Grenzenlose Lust". Weil aber aller guten Dinge drei sind, folgt eine weitere Verlautbarung in der Überschrift: "Normal ist, was beiden gefällt." Merke: was immer auch "beiden gefällt", normal ist es auf jeden Fall. Zweiflern wird mit einer nicht näher bezeichneten "Statistik" nachgeholfen, wonach satte 75 Prozent der Frauen mit lesbischem Sex liebäugeln.

Normal ist das also für Bravo-Girl. Weniger normal ist der kirchliche Segen für solche Erzeugnisse. Der angesehene katholische Don-Bosco-Verlag in München sieht das vermutlich anders. Dort ist jetzt ein Buch des evangelischen Autors Heiko Trimpel erschienen, das "in die Lebenswelten von Jugendlichen eintauchen" will. Bei solch anspruchsvollem Vorhaben führt an Bravo offenbar kein Weg vorbei. Das 136 Seiten starke Werk befaßt sich unter dem Titel "Seelsorge bei Dr. Sommer" mit "Religion und Religiosität in der Jugendzeitschrift Bravo. Und wer von Bravo redet, der kann natürlich vom Sex nicht schweigen, schließlich ist dies das Top-Thema in diesem Blatt neben Pop und Klamottenkult.

Im Abschnitt "Religion und Sexualität" gehts bei Trimpel bald zur Sache – zum "Foto der 13jährigen Julia, das in Heft 21/95 … für die Indizierung dieser Bravo-Ausgabe sorgte".

Für den Autor sind die moralischen Hemmungen der Bundesprüfstelle offenbar kaum mehr nachvollziehbar; es ist eher ironisch vom "Ärger mit den Jugendschützern" die Rede. Besagtes Nackedei Julia, Tochter einer evangelischen Diakonin, macht eben "gerne Dinge, die andere aufregen"(Bravo) – und im Don-Bosco-Buch wird hinzugefügt: "Julias Motto zeugt von ihrem aus dem christlichen Elternhaus stammenden Mut, sich gegen die Meinung der anderen zu stellen, gegen den Strom zu schwimmen. Die Freiheit eines Christenmenschen ist die Freiheit, sich nackt fotografieren zu lassen."

Zwar hatte Martin Luther die "Freiheit eines Christenmenschen" anders interpretiert – und auch beim heiligen Don Bosco zählte das Nacktpräsentieren von 13jährigen nicht zum christlichen Freiheitsideal. Aber wer wird denn "verurteilen" wollen, wo Verständnis angesagt ist? Die Toleranz ist freilich dort zu Ende, wo der vermeintliche "christliche Fundamentalismus" beginnt. Evangelikale Jugendliche, die sich in Leserbriefen und Kurz-Statements zum "Warten bis zur Ehe" bekennen, finden beim zeitgeistbeflissenen Autor keine Gnade. Frei nach dem Motto: "Keine Toleranz den Intoleranten". – Knapper und ehrlicher ausgedrückt: Andersdenken ist intolerant! Mädchen und Jungen, die auf Sex vor der Ehe verzichten möchten, vertreten allein schon dadurch eine "fundamentalistische Moral", sind wahlweise "psychisch krank", radikal", "körper- und lustfeindlich" verraten ein "chauvinistisches Frauenbild" und praktizieren einen "Zwang zur Enthaltsamkeit". – Kurz und schlecht: das sind "die jungen Extremisten".

 

Toleranz contra "Fundamentalismus"

Na bitte! Wie gut, daß Bravo vor solchen Irrungen zu bewahren weiß. Das paßt dann schließlich doch wieder zu Don Bosco, der bekanntlich eine "Pädagogik der Bewahrung" – das ungestörte Erleben der Kindheit – bejahte, die sich freilich von Bravo-Welten himmelweit entfernt zeigt. Der Priester Don Bosco ist eine große, positive Erziehergestalt des 19. Jahrhunderts und Gründer eines weltweiten sozialen Jugendwerkes. Er war auch als Schriftsteller und Verleger tätig.

Den Don-Bosco-Verlag hat er allerdings nicht gegründet. Er wird dem Himmel dankbar sein.


 
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