© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/97  05. Dezember 1997

 
 
Linksextremismus: Aus der PDS wird eine Offensive an den Hochschulen organisiert
Trittbrettfahrer an der Uni
von Hans-Helmuth Knütter

Die neue Studentenrevolte sei sachlich, sie trete manierlich auf, wolle keine Gesellschaftsveränderung, sondern bessere Studienbedingungen und vor allem eines: mehr Geld, das es nicht gebe und das sie nicht bekommen werde. So lauten die teils ratlosen, teils schmalzig selbstzufriedenen Kommenatare des Establishments. Dessen Vertetern fällt es nicht schwer, die Forderungen ihrer studentischen Kritiker zu unterlaufen, indem sie sich diese anbiedernd zu eigen machen. Den Studentenfunktionären hingegen fällt es schon schwerer, sich der unerwünschten Umarmung zu entziehen.

Nur wenige Betrachter der Szenerie erkennen hinter dem sachlichen Auftreten die Aktivität jener Linksextremisten, die einmal mehr Morgenluft wittern und die die miese Stimmung gar zu gern zum eigenen revolutionären Vorteil ausnutzen möchten. Die FAZ immerhin wird nicht müde, auf diese untergründige Strömung hinzuweisen.

Die stärkste Kraft des Linksextremismus in Deutschland, die PDS, versucht seit langem, Schüler, Studenten und Lehrlinge zu mobilisieren. Sie hat aber nach wie vor unter der blamablen Pleite des Realsozialismus zu leiden. Kaum jemand will mit den Erben des untergegangenen SED-Systems etwas zu tun haben. Soweit es linksextreme Tendenzen gibt, kommen sie eher Anarchisten und Grünen zugute. Deshalb tritt die Führungsclique der PDS "unorthodox" reformkommunistisch auf, oft zur zähneknirschenden Wut alter SED-Genossen. Aber Gysi und Bisky sind sich klar darüber, daß nur eine Verjüngung und Intellektualisierung das Aussterben der geistig und biologisch überalterten Partei verhindern kann. So versucht man, anarchistische, trotzkistische, DDR-nostalgische Linke unter Manipulation des "Antifaschismus"-Begriffs, der Ökologie und vor allem der Unzufriedenheit über Studienmisere und Zukunftsunsicherheit zu gewinnen.

Schon vor fast drei Jahren waren der Bundesregierung und der CDU die PDS-Aktivitäten an den Hochschulen aufgefallen. So veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung am 16. März 1995 in Sankt Augustin eine Konferenz, für die der unionsnahe Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) eine Zusammenstellung aller PDS-Hochschulgruppen erarbeitete. Das Ergebnis war trostlos – für die PDS. Ihre Gefolgschaft unter den Studenten in der alten Bundesrepublik war gleich Null, an den Universitäten der östlichen Bundesländer gering. Allenfalls als Mitläufer bei anarchistischen Gruppen konnten die PDS-Studenten hier und da einen begrenzten Erfolg erzielen. Man glaubte deshalb, beruhigt weiterschlafen zu können. Neuerdings aber versucht die PDS, die ohne ihr Zutun entstandene Unruhe auszunutzen. Sie läßt Sahra Wagenknecht, verehelichte Niemeyer, auftreten. Deren Zugkraft hat aber deutlich nachgelassen. Bürgerliche Ehe und Gerüchte über Kontakte ihres Ehemannes Thomas zum Verfassungsschutz, die der Rheinische Merkur und Focus ebenso genüßlich wie detailliert ausbreiteten, haben ihrem Ansehen erheblich geschadet.

Mehr revolutionäre Seriosität im Sinne der PDS hat Angela Marquardt, Sprecherin der "Arbeitsgemeinschaft Junge genoss(inn)en" und ehemalige Vize-Vorsitzende der Partei. Sie tingelt durch westdeutsche Städte, um Jugendliche – nicht nur Studenten – zu gewinnen. Dabei zeigen ihre kürzlich erfolgten Äußerungen bei einem Auftritt in Düsseldorf deutlich, was die PDS erwartet, aber auch wo die Grenzen des Möglichen liegen: Sie sei 1991 von der Antifa zur PDS gekommen, verkündete Marquardt. Das gelte für viele Mitglieder ihrer Arbeitsgemeinschaft, deshalb sei die Antifa-Arbeit ein Schwerpunkt.

Hinzugekommen seien aber inzwischen Ökologie, Ausländerpolitik und Schüler- und Studentenarbeit. Die Jugendgruppe der PDS habe sich in den letzten Jahren kleingeschrumpft. Früher seien zu den Bundesversammlungen bis zu 1.000 Teuilnehmer gekommen, jetzt vielleicht noch 150. Bundesweit habe die Arbeitsgemeinschaft ungefähr 1.500 Mitglieder. Die "Jungen Genossen" sollten innerhalb der PDS ein Korrektiv gegen Anpassung sein. Viele PDS-Politiker bemühten sich nämlich, in der Gesellschaft "respektabel" zu werden. Es werde bei der PDS sicher keine 20 Jahre wie bei den Grünen dauern, um den revolutionären Elan zu verlieren, erklärte Marquardt. Deshalb sei in ihrer Arbeitsgemeinschaft schon mal diskutiert worden, ob man die PDS überhaupt noch wählen könne. In Sachsen-Anhalt gebe es permanente Kuhhandel mit der PDS, die von den Junggenossen abgelehnt werden. Man brauche ihres Erachtens eine viel intensivere Aufklärung über Faschismus und Neue Rechte. Dabei arbeiteten die "Jungen Genossen" mit Antifa-Archiven zusammen. Diese Antifa-Gruppen seien allerdings leider furchtbar zerstritten. So habe sich die "Autonome Antifa" gleich in drei Gruppen gespalten, die sich nun gegenseitig bekämpften, weil jeder glaube, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben.

Die PDS sei nicht unbedingt progressiv, so Marquardt weiter, sondern strukturkonservativ aus der SED-Tradition. Die Parteijugend sehe sich heute überall in einem Abwehrkampf gegen Vertreibung von Bewohnern aus den Innenstädten, gegen Sozialabbau und zunehmenden Faschismus. Die Stimmung sei bei manchen jungen Genossen richig deprimiert.

Diese Selbsteinschätzung beweist, daß die Genossen wenig Grund haben, sich wie Fische im Wasser zu fühlen. Mao Tse-tung hat dies als Voraussetzung für das erfolgreiche Wirken eines Revolutionärs gesehen. Die Linke zappelt eher auf dem Trockenen und definiert sich rein negativ. Sie sind gegen "Faschismus", Kapitalismus und vor allem gegen die gesellschaftlich-politische Ordnung wie sie heute existiert.

 

Aber weil die Schwierigkeiten dieser etablierten Ordnung täglich wachsen und die Bereitschaft, sich mit ihr zu identifizieren, schwindet, resignieren die Linksextremisten nicht. Was heute nicht gelingt, könnte morgen glücken. Deshalb hat die Bundestagsgruppe der PDS für den 30./31. Januar 1998 zu einer Tagung in die Universität Marburg eingeladen. Zum Thema "Alte und Neue Rechte an den Hochschulen – Nationalismus, Rassismus, Männerbünde. Neoliberalismus und neue Eliten" wollen sich unter der Federführung der Bundestagsabgeordneten Ludwig Elm und Ulla Jelpke der AStA Marburg, der "Bund (volks-)demokratischer Wissenschaftler" und die PDS profilieren. Helfershelfer sind die Professoren Reinhard Saage (Universität Halle) und Butterwegge (Fachhochschule Potsdam), Dieter Plehwe vom Wissenschaftszentrum Berlin und Axel Demirowicz vom Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main sowie Reinhard Kühnl von der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) – um nur diejenigen zu nennen, die dem wissenschaftlichen Establishment angehören und bereit sind, der PDS zur seriosität zu verhelfen. Von besonderer Dreistigkeit zeugt das Thema von Ulla Jelpke: "Die Bundesregierung als Mentor und Förderer der extremen Rechten".

Die bisherigen Erfolge der PDS-Jugend- und Hochschularbeit sind dürftig. Die Bilanz der bundesrepublikanischen Hochschul- und Arbeitsmarktpolitik ist katstrophal. Unsicherheit und Unzufriedenheit bieten den Linksextremisten eine Chance, die sie nutzen werden, wenn man sie läßt. Von seiten der Bundesregierung, der CDU/CSU und ihrer Bildungseinrichtungen ist bisher wenig getan worden. Statt dessen beruhigt man sich dort mit der Feststellung, Linksextremisten seien in der Studentenschaft nur eine "Mini-Minorität". Gewiß, die große Mehrzahl ist politisch abstinent. Aber genau das ist die Voraussetzung für eine linke Einflußnahme.


 
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