© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   51/97  12. Dezember 1997

 
 
Maastricht: Frankreichs Ziel – Abschaffung der Mark
Versailles ohne Krieg
von Ronald Schroeder

"Maastricht ist der Versailler Vertrag ohne Krieg." Diese Meinung äußerte Le Figaro am 18. September 1992 und liegt damit so falsch nicht. Paris war seit jeher beneidenswert kompromißlos in der Durchsetzung nationaler Interessen. Oft waren sämtliche wichtigen internationalen Institutionen – Brüsseler Kommission, Internationaler Währungsfonds (IWF), Organisation für Wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und selbst Osteuropa-Bank (EBWE) – fest in französischer Hand. Seit 1963 wurde, mit Ausnahme der Jahre 1973 bis 1978, der IWF von den Franzosen geführt.

Während wir Deutsche stets multilaterale Prinzipien hochhielten, scherten sich die Franzosen bei der Verfolgung nationaler Interessen nicht um irgendwelche Statute. Ende der 80er Jahre verkam der Währungsfonds unter Michel Camdessus zu einem Selbstbedienungsladen französischer Interessenspolitik. Notleidende Kredite Frankreichs an ehemalige afrikanische Kolonien wurden als neu geschaffene Fazilitäten auf die internationale Gemeinschaft des Pariser Clubs umgeschuldet. Es war in jenen Jahren gängige Praxis, daß Camdessus im Vorfeld der eigentlichen IWF-Verhandlungen im Autrag des Elysée-Palastes neue Kreditvereinbarungen mit zweifelhaftesten francophonen Staatschefs im Alleingang klarmachte. Lediglich die Amerikaner achteten darauf, daß bei diesem Gebaren ihre Interessen nicht zu kurz kamen. Auch die nach der deutschen Einheit maßgebliche mit deutschen Steuergeldern ausgestattente EBWE wurde unter ihrem französischen Präsidenten Jacques Attali und Jacques de Larosière zum verlängerten Arm der Marketingarbteilungen französischer Konzerne. Erfolgreich bei der Wahrnehmung politischer Interessen, hat Paris den Ankercharakter der DM innerhalb des EWS stets als Übel empfunden. Ganz besodners gilt das seit der deutschen Einheit. Die Leitwährungsfunktion der DM ließ angesichts des großen Kapitalbedarfs Deutschlands zur Beseitigung der Hinterlassenschaften des Sozialismus europaweit die Zinsen steigen. Damit wurden Kosten der Vereinigung indirekt teilweise internationalisiert. Während die Politik den Forderungen Frankreichs und der übrigen EU-Partner nach millardenschweren Nettotransfers Deutschlands in die Brüsseler Kassen kaum Widerstand entgegensetzte, blieb die DM aufgrund der Unabhängigkeit der Bundesbank allen französischen Einflußnahmen entzogen. Erst im Frühjahr diesen Jahres erklärte der ehemalige französische Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing erneut, daß es für Paris beim Euro vorrangig um die Abschaffung der DM geht. Im zweiten Schritt strebt Frankreich dann danach, die Europäische Zentralbank unter ihre Kontrolle zu bringen. Einerseits wird versucht, durch ein der Europäischen Zentralbank (EZB) zugeordnetes Wirtschaftsdirektorium deren Unabhängigkeit zu pulverisieren. Gleichzeitig bemüht man sich, mit dem französischen Nationalbank-Chef Jean-Claude Trichet einen Franzosen an die Spitze der EZB zu lancieren. Selbst, wenn das diesmal nicht durchgehen sollte, kann vermutlich auf dem Kompromißweg ein stabilitätsorienterter Kandidat wie der Holländer Wim Duisenberg verhindert werden. Ist die Deutsche Mark erst beseitigt und die EZB in der einen oder anderen Form der politischen Einflußnahme unterworfen, dürfte sich Paris ausreichend große Chancen ausrechnen, die Richtung dieser Einflußnahme ganz wesentlich zu bestimmen. Vermutlich ist ja dies das französische Verständnis der noch ausstehenden und auch von Bundeskanzler Kohl für wünschenswert erachteten Politischen Union.


 
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