© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   51/97  12. Dezember 1997

 
 
Rücktritt gefällig
von Dieter Stein

Eine durch Pawlowsche Reflexe auf Betroffenheit konditionierte "Öffentlichkeit" zittert und bangt dieser Tage, was denn wohl in der nächsten Woche "Skandalöses" über die Bundeswehr das Licht der Welt erblickt. Es ist aber jedesmal Banales, Abstruses, grotesk Lächerliches. Gibt es denn wahrlich keine größeren Schweinereien, die in einem Hunderttausende fassenden militärischen Männerbund vorfallen? Nein, es sind Dinge, wie sie auf jedem Schulhof mal passieren: Prügeleien und politischer Blödsinn.

Im internationalen Vergleich ist die Bundeswehr in Wahrheit so rasend harmlos und friedfertig, daß man sich ernstlich Sorgen um unsere Landesverteidigung machen sollte. Gegängelt durch diverse Traditionserlasse und ausgestattet mit einem rudimentären Minimum an militärischem Zeremoniell und Formen, gleichen die Soldaten eher Postbeamten – das ist die traurige Lage.

Es ist erbärmlich, wie windelweich sich der Verteidigungsminister angesichts der kafkaesken Angriffe aufgewiegelter Medienvertreter verhält: Statt sich ohne Stammeln und Stottern vor "seine Jungs" zu stellen und mit aller Härte gegen die durchsichtige Kampagne vorzugehen, schlingert und eiert Volker Rühe herum und läßt die Köpfe von Offizieren rollen, die als Sündenböcke für Scheinaffären herhalten müssen.

Es wird Rühe nicht gedankt, daß in seiner Amtszeit reihenweise Kasernen ihre Namen verloren, die sie nach international verehrten, großartigen Soldaten der Wehrmacht erhielten. Es wird ihm nicht gedankt, daß er zur unwissenschaftlichen Propagandaausstellung des linksextremen Hamburger Reemtsma-Institutes "Verbrechen der Wehrmacht" schwieg und auf klaren Protest verzichtete. Es wird ihm nicht gedankt, daß er zu feige ist, sich schützend vor die Angehörigen der Soldaten der Weltkriege zu stellen. Denn wenn diejenigen Kreise, aus denen die ehrlosen "Mörder"-Vorwürfe kommen, sich Gedanken um den Ruf der Bundeswehr machen, dann ist höchste Vorsicht geboten. Das sollte auch Rühe wissen.

Präventiv permanent den Schwanz einzuziehen und die Bundeswehr zum Wachschutz für "Peacekeeping" umzufönen, wird nicht mit Erfolg quittiert. Da wird auch nicht das Abräumen der letzten Traditionszimmer helfen, in denen in rührender Weise der Einheiten vorbildlicher Wehrmachts-Verbände gedacht wird. Volker Rühe ist dabei, aus einer international geachteten Armee einen Haufen von Heulsusen zu machen. Dem Ausland wird es zunehmend unbegreiflich, wie entsetzlich tief unser Land sinken kann. Soll Rühe doch Hannes Heer und Jan Philipp Reemtsma die "Baudissin-Medaille" verleihen, vielleicht rettet ihn das.


 
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