© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/97 u. 01/98  19. Dezember / 26. Dezember 1997

 
 
Alternde Diva
von Thorsten Thaler

Seit bald fünf Jahrzehnten ist die FDP die heißbegehrteste Braut in der erst westdeutschen, seit 1990 gesamtdeutschen Politik. Wie liebeskranke Pennäler balgen sich CDU und SPD alle vier Jahre wieder um die Gunst der zur Bonner Regierungsmacht bislang so unverzichtbaren liberalen Femme fatale. Kein Wunder, daß sich die derart Umworbene ihren jeweiligen Lebensabschnittsbegleiter zumeist sehr sorgfältig auszuwählen wußte – bis heute.

Jetzt aber droht die alternde Diva endgültig aufs Abstellgleis der Nachkriegsgeschichte geschoben zu werden. "Wer braucht noch die FDP?" fragt keck selbst schon die um Fortbestand und Wohlergehen der "bürgerlichen" Koalition stets in Sorge befindliche Bild am Sonntag sich und ihre Leser. Die Blau-Gelben erscheinen dem auflagenstarken Blatt in jedweder Hinsicht nur noch ausgepowert: "geistig, personell und nach dem Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts auch finanziell", wie BamS-Chef Michael H. Spreng frei von der Leber weg meint. Tatsächlich ist dem Befund kaum zu widersprechen.

Die knapp 10,5 Millionen Mark, die die FDP nach den Feststellungen des Gerichts für 1996 aus den Töpfen der staatlichen Parteienfinanzierung zu Unrecht erhalten hat und jetzt zurückzahlen muß, schmerzen rund neun Monate vor der nächsten Bundestagswahl auch jene Partei, die sich beim Einsammeln von Spendengeldern als recht erfolgreich – wenn auch gelegentlich vielleicht als etwas ungeschickt – erwiesen hat. Bedrohlicher indes als die finanzielle Trockenlegung ist für die FDP ihre fortschreitende personelle Auszehrung. Die blau-gelbe Führungstroika gereicht mittlerweile jeder Laienspielschar zur Ehre. Mit wem wollen die Liberalen eigentlich noch reüssieren? Mit einem Parteivorsitzenden, dessen Namen nicht einmal alle FDP-Mitglieder kennen und der die Ausstrahlung eines Gummischlauchboots besitzt? Einem Fraktionschef, der in jeder Firma als Buchhalter besser aufgehoben wäre als an der Spitze einer Regierungsfraktion? Oder einem Generalsekretär Westerwelle, der anfangs zwar als kraftstrotzender Polit-Yuppie zum Traum vieler Schwiegermütter und Liebling der Medien avancierte, heute jedoch allenfalls noch Coupé-Redakteure nervös macht?

Wenn trotz der finanziellen Misere und ihrer offenkundigen Personalnöte Vorsicht geboten ist, dann allein deswegen, weil der FDP schon häufiger die Totenglocken geläutet wurden – und sie sich doch jedes Mal wieder vom Sterbebett aufgerappelt hat. Ob ihr auch 1998 die Wiederauferstehung gelingt, steht dahin. Nach Lage der Dinge könnte spätestens am Abend der Bundestagswahl ein für allemal Schluß mit lustig


 
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