© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/00 07. Januar 2000


Wladimir Putin
Männer des KGB
von Kai Guleikoff

Vor vier Monaten ein Unbekannter in der Politik und heute der erste Mann im Kreml: Wladimir Putin, geboren am 7. Oktober 1952 im damaligen Leningrad. In dieser Stadt wurde der Sohn eines Schlossers für würdig befunden, nach dem Abschluß des Jurastudiums 1975, in den Geheimdienst aufgenommen zu werden. Dafür ausschlaggebend waren neben einer überdurchschnittlichen Intelligenz der Vorteil einer äußerlichen Unauffälligkeit. Seine Vorgesetzten schätzten ihn bald als loyalen und fähigen Mitarbeiter mit einem effizienten Arbeitsstil. Der Aufstieg in die "Aristokratie" des sowjetischen Auslandsgeheimdienstes wurden durch Putins sehr gute Deutschkenntnisse befördert. In den 80er Jahren überwachte er in der Bezirksstadt Leipzig die Arbeit der deutsch-sowjetischen Freundschaftsorganisation (DSF). Bekanntlich waren in der DDR alle "Kontakte mit den Freunden" meldepflichtig. Das Eindringen westlicher Geheim-dienste über die DSF in sowjetische Dienststellen wurde als permanente Gefahr angesehen. Putin bewährte sich und wurde in die Operativgruppe nach Dresden versetzt. Von hier aus führte er u.a. Agenten in der Bundesrepublik Deutschland, der deutschsprachigen Schweiz und in Österreich. Die Auflösung der Sowjetunion wurde nicht zum Knick in der Karriere, sondern zum Beginn eines noch schnelleren Aufstieges.

An der Spitze der Reformen standen mit Andropow als Vordenker und Gorbatschow als Theoretiker, ehemalige hochrangige Vertreter des sowjetischen Geheimdienstes. Nach der Rückkehr aus Deutschland erfolgte für Oberstleutnant Putin die Ernennung zum Gehilfen für internationale Beziehungen im Rektorat der Universität seiner Heimatstadt. Auf gut deutsch: Beauftragter für Agentenanwerbung/Agentenabwehr an dieser renomierten Bildungs- und Forschungseinrichtung. Als der ehemalige Seminarkollege und jetzige Juraprofessor Sobtschak Bürgermeister von Leningrad/St. Petersburg wurde, avancierte Putin 1994 zu seinem Stellvertreter. Besonders in der Kontaktpflege zur Partnerstadt Hamburg konnte er sein "Deutschlandbild" aktualisieren, wie er in einem Fernsehgespräch lakonisch betonte. Der zweite große Karrieresprung gelang Putin durch Protektion Tschubais, der 1997 noch als "Erster Berater" Jelzins zu den mächtigsten Männern Rußlands gehörte. Als Leiter des Aufsichts- und Kontrollamtes im Präsidialamt koordinierte er die Beziehungen zu den 89 Republiken und Regionen des russischen Reiches "mit harter Hand". Das imponierte dem grobschlächtigen Jelzin und erhob Putin zum Favoriten. Ob Putin Dankbarkeit zeigen wird, ist ungewiß. Nach seiner Ernennung zum geschäftsführenden Präsidenten entließ er auch Jelzins Lieblingstochter Tatjana als Präsidentenberaterin. Geheim-dienstler handeln eben emotionslos.


 
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