© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/00 07. Januar 2000


Technologie: Der "Cargolifter" wird auf keine Infrastruktur angewiesen sein
Der Zeppelin der Zukunft
Rüdiger Ruhnau

Die Deutschen waren schon einmal führend im Luftschiffbau: Kaum eine andere technische Entwicklung der Menschheit ist mit gleicher Anteilnahme verfolgt worden wie das Werk des Grafen Ferdinand von Zeppelin. Jetzt ist es wieder soweit, daß an zwei Stätten in Deutschland – unabhängig voneinander – die Pläne eines Lastenluftschiffes und eines Passagierzeppelins realisiert werden sollen. Auf dem ehemaligen Militärflughafen Brand, 60 Kilometer südöstlich von Berlin, wird die weltweit größte Werfthalle gebaut. Die 360 Meter lange und 107 Meter hohe Produktionshalle bietet Platz für zwei Cargolifter, die Transport-Luftschiffe der Zukunft. Nach der bisherigen Planung soll der erste Cargolifter mit einer Länge von 260 Metern im Jahre 2002 in die Luft steigen.

Seit vier Jahren arbeiten am Institut für Luft- und Raumfahrttechnik der Universität Stuttgart über 100 Wissenschaftler und Ingenieure an der Realisierung des Zukunftsprojektes. Erste Erfahrungen wurden mit dem Testzeppelin "Joey" gesammelt. Dieser im Maßstab eins zu acht entwickelte kleine Cargolifter wurde im vergangenen Jahr auf einer Fachmesse in Leipzig präsentiert. Flugmechanische Stabilitätsprobleme werden am Computer simuliert oder im Windkanal analysiert.

Die Cargo-Branche verlangt schon lange nach neuen Konzepten für Schwertransporte. Wenn eine 160 Tonnen schwere Dampfturbine nach Indien geliefert werden soll, dauerte die Reise bisher acht Wochen und kostete etwa eine halbe Million Mark an Transportkosten. Bevor die überbreiten Lastwagen zu den Schiffen gelangen, müssen Brücken oder Strommasten versetzt werden, Bahngleise und Staus blockieren die Fahrt. Das alles stört den Cargolifter nicht. Er wird mit Hilfe von Drahtseilen punktgenau über der Fabrik verankert, nimmt die Last zu sich und kann sie direkt an die entlegenste Stelle transportieren. Der Cargolifter muß zum Entladen nicht landen, er ist auf keine Infrastruktur angewiesen. Die 7.000 PS der Dieselmotoren schaffen eine Geschwindigkeit von 140 Kilometer pro Stunde bei einer Reichweite von 14.000 Kilometern. Der Cargolifter hilft Zeit sparen, er ist umweltverträglich und sicher, weil er mit dem nichtbrennbaren Edelgas Helium gefüllt ist.

Ein wichtiger Unterschied zu den früheren Zeppelinen besteht in der Konstruktion. Während die alten Luftschiffe ein starres Aluminium-Gerüst besaßen, ist der Cargolifter ein Prall-Luftschiff, das seine äußere Form durch den Überdruck der Traggaszellen erhält. Superdichte Mehrschichtfolien sorgen dafür, daß der Heliumverlust minimal ist. Das enorme Frachtgewicht trägt ein Kiel aus Kohlefaserverbundwerkstoff, der wiederum mit einem Netz von Kohlefaserbändern an der Traghülle befestigt ist.

Carl von Gablenz, Vorstand der Cargolifter AG, will für den Bau der Werft sowie für die Entwicklung bis hin zum einsatzfähigen Prototyp 412 Millionen Mark bereitstellen. Die Hälfte soll aus eigenen Mitteln stammen, das Land Brandenburg ist mit 77 Millionen Mark beteiligt, der Rest entfällt auf Kredite. Auch ein Gang an die Börse ist geplant. Inzwischen wird das Venture-Projekt von über 7.400 Aktionären und Partnern aus den Bereichen Transport, Industrie und Finanzen getragen. Noch haben die deutschen Luft- und Raumfahrttechniker die Nase vorn, obwohl auch andere Nationen die Vorteile der neuen Transporttechnologie erkannt haben. Die beiden größten US-Rüstungskonzerne Boeing und Lockheed Martin arbeiten ebenfalls intensiv an einem Programm für Cargo-Luftschiffe.

Im traditionsreichen Friedrichshafen am Bodensee, wo sich am 2. Juli 1900 das erste Zeppelin-Luftschiff LZ 1 in den Himmel erhob, soll nach einhundert Jahren wieder ein Zeppelin NT (Neue Technik) zum Passagierflug starten. Die Tauglichkeit des neuen Zeppelins ist in einer Anzahl von Testflügen geprüft worden. Die Bestimmungen des Bundesluftfahrtamtes für die Zulassung sind streng, mehr als 3.000 Einzelprüfungen werden verlangt, bevor ein Passagierverkehr anlaufen kann. Sicherheit geht vor, denn unvergessen ist noch die Zeppelin-Katastrophe am 6. Mai 1937, als das Luftschiff LZ 129 "Hindenburg" bei der Landung in Lakehurst/USA verbrannte. Da die Amerikaner statt des verwendeten brennbaren Wasserstoffgases kein Helium liefern wollten, stellte man bald darauf die Passagierfahrten mit dem letzten Luftschiff LZ 130 "Graf Zeppelin" ein.

Seit dem Sommer 1999 testen die Zeppeliner ihr 75 Meter langes Luftschiff auch außerhalb von Friedrichshafen. Die Ingenieure der "Luftschiffbau Zeppelin GmbH" entwickelten eine neue Bauweise; Kernstück der modernen Technologie ist eine dreieckige Trägerstruktur, an deren Knotenpunkten alle wichtigen Komponenten wie Leitwerke, Triebwerke und Gondel fest angebaut sind. In der Hülle aus hochfesten Aramid-Kunststoff-Fasern befinden sich die mit Helium gefüllten Gaszellen. Drei Motoren sind so plaziert, daß ein Schub in alle Richtungen ausgeübt werden kann, womit eine bisher nicht mögliche Manövrierfähigkeit erreicht wird. Der Start erfolgt senkrecht mit Unterstützung der drei vertikal geschwenkten Propeller. Die geräuscharmen Kabinen bieten Erste-Klasse-Komfort. Alle technischen Neuerungen, die für ein Luftschiff sinnvoll sind, konnten in die Entwicklung einfließen.

Der Zeppelin NT hat ein großes ökologisches und wirtschaftliches Zukunftspotential. Um die unterschiedlichen Anforderungsprofile optimal abdecken zu können, wird eine ganze Baureihe von neuen Zeppelinen projektiert, die im neuen Jahrtausend an die früher so erfolgreiche deutsche Luftschiffahrt wieder anknüpfen sollen.


 
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