© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/00 07. Januar 2000


Zitate

"Will sich der Deutsche Bundestag vom Volk verabschieden? Diesen Eindruck erweckt die Idee seines Kunstbeirates, ein Projekt des Künstlers Hans Haake zu realisieren: Im Lichthof Nord des Berliner Reichstagsgebäudes sollen an einem mit Erde gefüllten, rund 21 mal sieben Meter großen Holztrog die Worte "Der Bevölkerung" leuchten. ... Es geht ... um die zentrale verfassungsrechtliche Frage: Wer ist das Subjekt, das die Staatsgewalt legitimiert, dessen Interessen die Staatsorgane wahrnehmen müssen, dem die Mandatsträger verantwortlich sind? ... Wenn die zehn Mitglieder des Kunstbeirats sich auf ihrer nächsten Sitzung im Januar nicht dazu entschließen können, ihren Beschluß zu revidieren, müssen sie die Verantwortung dem Plenum übergeben. Eine Frage, die das Selbstverständnis des ganzen Parlaments betrifft, kann nicht unter Ausschluß der Öffentlichkeit entschieden werden. Alle Abgeordneten müßten Gelegenheit erhalten, sich darauf zu besinnen, wen sie eigentlich repräsentieren."

Dietrich Murswiek, Professor für Öffentliches Recht in Freiburg, im "Focus" vom 27. Dezember 1999

 

 

"Warum haben nach Walsers Paulskirchenrede im Oktober 1998 viele deutsche Politiker so auffällig geschwiegen? Das ist es, was mir Sorge bereitet: daß prominente Menschen aus Politik, Kultur und Wissenschaft wenig Zivilcourage gezeigt haben, oder aber innerlich und heimlich auf der Seite von Walser stehen. Die Tatsache, daß Gerhard Schröder geäußert hat, ein deutscher Schriftsteller dürfe so etwas sagen, er als Kanzler aber nicht, zeigt doch ein merkwürdiges Verhältnis zur Wahrhaftigkeit. Sind Schriftsteller die modernen Hofnarren, die Dinge sagen dürfen, welche sich Politiker, die in Wirklichkeit ebenso denken, aus Gründen der Staatsräson verkneifen müssen?"

Salomon Korn, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main, in der Zeitschrift "Konkret", Januar 2000

 

 

"Flucht und Vertreibung gehören zu den zentralen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts. Die Vertreibung der Deutschen betraf rund 15 Millionen Landsleute; mehr als zwei Millionen fanden dabei den Tod. Die Beispiele in Ost-Timor und auf dem Balkan zeigen, daß trotz völkerrechtlicher Ächtung auch am Ende des Jahrhunderts Vertreibungsverbrechen geschehen. Die Erfahrung der Vertreibung ist für die deutschen Heimatvertiebenen kein abgeschlossenes Kapitel und wirkt bis heute nach. ... Die Vertreibung der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkrieges und danach war auch schon zum Zeitpunkt des Geschehens völkerrechtswiedrig. Dennoch haben die deutschen Heimatvertriebenen in ihrer Charta von 1950 auf Rache und Vergeltung verzichtet und erklärt, sich an der Schaffung eines geeinten Europas zu beteiligen, in dem alle Völker ohne Furcht und Zwang leben können."

Hartmut Koschyk MdB, Vertriebenenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in der Wochenzeitung "Das Parlament", Dezember 1999

 

 

"In der Folge der faschistischen Gewaltherrschaft, die unendliches Leid über Juden, Homosexuelle, Kommunisten, Roma und Sinti und viele andere Opfer gebracht hat, und des von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieges ist die Vertreibung der Deutschen aus den ehemaligen Gebieten des Deutschen Reiches geschehen. Diese gravierenden Menschenrechtsverletzungen sind "keine gerechte Strafe für Auschwitz", sondern Unrecht, das beim Namen genannt werden muß. Dabei dürfen Opfer allerdings nicht gegen Opfer aufgerechnet werden. Beim Gedenken an Flucht und Vertreibung sind zudem Ursache und Wirkung nicht zu vertauschen."

Cem Özdemir MdB, Innenpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, in "Das Parlament", Dezember 1999


 
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