© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/00 14. Januar 2000

 
Bündnis für heiße Luft
von Bernd-Thomas Ramb

Mit an Langweile grenzender Routine lief die neue Folge der glitzernden Gerhard-Show ab. Das Bündnis für Arbeit tagte und ein voller Erfolg war das zwangsläufige Ergebnis – zumindest in der Medienillusion. Arbeitnehmer und Arbeitgeber versöhnt, und im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit wieder einmal entscheidend gesiegt zu haben, glaubte der Kanzler, der seine extraterrestrischen Fähigkeiten als Wirtschafts-Supermann bereits bei der (zur Zeit äußerst skeptisch von der EU geprüften) Holzmann-Errettung demonstriert hatte. Die ökonomische Wirklichkeit holte die Beteiligten jedoch nach dem Ausschalten der Fernsehkameras ein.

Ein Tag später besteht zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern absolut keine Übereinstimmung mehr hinsichtlich der Auslegung der Beratungsergebnisse. Jeder interpretiert die vage formulierten Beschlüsse zur kommenden Gestaltung der Tarifabschlüsse nach seinem Geschmack. "Langfristige Orientierung" heißt für die Gewerkschaften "Einstieg in die Rente ab 60", ein Reizwort, das den Unternehmern die Zornesröte in den Kopf schießen läßt. Hatte Arbeitgeberpräsident Hundt doch mit dem Wort "langfristig" die Hoffung auf ein Ende der jährlich wiederkehrenden Querelen um die Lohnerhöhungen verbunden. Seine optimistische Sicht teilt sein Sitzungskollege, Handwerkspräsident Philipp, keineswegs und der abwesende DIHT-Präsident Stihl wußte scheinbar vorher, warum er dem Kränzchen fernblieb.

Auch das Zauberwort, "Orientierung am Produktivitätsfortschritt", wird unterschiedlich verstanden. Die Gewerkschaften sehen darin die Erlaubnis, ihren prinzipiellen Tariferhöhungsforderungen mit Inflationsausgleich und Umverteilungsaufschlag eine Produktivitätskomponente beizufügen. Die Vier vor dem Komma bei den Lohnerhöhungen, ein Prozent Inflationsausgleich plus drei Prozent Produktivitätsfortschritt plus Null-Komma-X Prozent Umverteilung von Kapitaleinkommen zu Lohneinkommen, erhält dadurch Kanzler-Segen. Die Unternehmerseite verbindet mit der Bindung an den Produktivitätsfortschritt eine Beschränkung der Tariferhöhung auf diese, ja welche?, Kennziffer. Ist damit der für das vergangene Jahr berechnete oder der künftig erwartete Produktivitätsfortschritt gemeint, wird er gleichgesetzt mit dem Wachstum oder branchenspezifisch berechnet? Sinn macht das Ganze nur, wenn die kommenden Tarifabschlüsse so maßvoll sind, daß eine Ausweitung der Beschäftigung wirtschaftlich lohnt. Nur dann kann Arbeitslosigkeit abgebaut werden. Der nach Ende der Bündnis-für-Arbeit-Runde ausgebrochene Streit läßt bezweifeln, daß dieses Ziel wirklich ernsthaft verfolgt wird. Hauptsache, der Kanzler hatte seinen glänzenden Kurzauftritt.


 
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