© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/00 14. Januar 2000

 
Claus Peymann
Renommierter Kampfhahn
Moritz Schwarz

Tärää, tärää: Wenn das Kasperle-Theater dem Höhepunkt zustrebt, marschiert zu einen alles auf, was so eine kleine Puppenbühne an skurilen Figuren aufzubieten hat, zum anderen geht es richtig rund und wirklich derb zur Sache. Man könnte es ja charmant finden, daß es beim großen "Berliner Ensemble" auch nicht anders zugeht. Doch inszeniert hier Tabori unter Peymann über Brecht, und wenn sich dann das Ergebnis mit dem bei den Rackern so beliebten Finale-Refrain der einstmals allwöchentlichen Muppet-Show "Jetzt tanzen alle Puppen" zusammenfassen läßt, dann wendet sich der Gast zu Recht mit Grausen.

Seit dem Herbst 1999 steht der Hanseat Claus Peymann von der Wiener Burg am Ruder auf der Brücke im Theater am Schiffbauerdamm. Das "Berliner Ensemble", das 1949 von Berthold Brecht und seiner Frau Helene Weigel "vom Stapel gelassen" wurde, soll Peymann wieder auf Kurs bringen, nachdem es seit dem Tod des deutschen Theater-Odysseus Heiner Müller ins Schlingern geraten war.

Der renommierte Kampfhahn von Wien, nutzte seine bisherige Intendanz in der Hauptstadt deutscher Kaiserherrlichkeit nicht nur ausgiebig dazu, das österreichische Establishment zu foppen, auch sein Ensembel schonte er nicht.

So verklagte ihn 1986 der Schauspieler Fritz Muliar wegen "übler Nachrede", was nur durch eine schriftliche Entschuldigung Peymanns wieder einzurenken war. Dennoch fand er dann 1988 dort einfach alles "Scheiße", vor allem, daß er seine Schauspieler, wie er meinte, zu guten Leistungen "vergewaltigen" müsse. Auch dieser Zwist war nur durch ein öffentliches Bedauern seinerseits, unter Vermittlung des österreichischen Unterrichtsministers, beizulegen. 1990 dann handelte er sich eine Klage wegen Pornographie und Blasphemie, also den handelsüblichen Standards modernen Theaters, ein.

Offenbar war also dem 1937 in Bremen geborene Claus Peymann der Titel eines seiner ersten 1966 in Frankfurt am Main inszenierten Stücke nachhaltig im Gedächtnis geblieben: "Publikumsbeschimpfung" von Peter Handke. 1971 hinterließ er dann mit der Gründung der neuen "Schaubühne am Halleschen Ufer" in Berlin erste Spuren. Schließlich führte er das Württembergische Staatstheater in Stuttgart ab 1974 zu ungeahntem Ruhm: Insgesamt viermal konnte er es zum "Theater des Jahres" machen, bevor er im Streit mit Ministerpräsident Hans Filbinger 1979 nach Bochum wechselte, wo er seine Triumphe wiederholen konnte.

Damit schien Berlin einen würdigen Nachfolger für sein renommiertes Brecht-Haus gefunden zu haben. Um so mehr enttäuscht die einfallslose Premiere am vergangenen Sonntag. Claus Peymann sollte bedenken, eine Volksbühne haben wir hier in Berlin schon.


 
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