© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/00 14. Januar 2000

 
Kroatien: Zerbrechliches Oppositionsbündnis ist eindeutiger Wahlsieger
Ex-Kommunist und Dissident gewinnen
Jörg Fischer

Der Chef der Sozialdemokratischen Partei (SDP), Ivica Racan, ist Sieger der Parlamentswahlen in Kroatien und hat beste Chancen, neuer Ministerpräsident des 1991 als unabhängig anerkannten Landes zu werden.

Der am 24. Februar 1944 im sächsischen Ebersbach zur Welt gekommene Jurist ist ein im Wandel erfahrener Funktionär. 1970, nach Ende des Studiums in Zagreb, begann sein Aufstieg in der Kommunistischen Partei der damaligen Teilrepublik Jugoslawiens. Gerade mal 30 Jahre alt, wurde er 1974 Mitglied im Zentralkomitee der Kroatischen KP. Als im Dezember 1989 der Umbruch in Ostmitteleuropa auch Jugoslawien erreichte, verdrängte der zum Reformer avancierte Racan den Dogmatiker Suvar und wurde selbst KP-Chef. 1990 bekam Racan breite Anerkennung, als er zusammen mit der slowenischen Delegation und im Streit mit den roten Nationalisten des Slobodan Milosevic aus dem jugoslawischen KP-Kongress in Belgrad auszog und in der Folge eine friedliche Machtübergabe in Kroatien ermöglichte. Trotzdem kam seine Wende – er gebärdete sich als Rockmusikfan, die KP nannte sich inzwischen "Partei der demokratischen Veränderung " – zu spät. Fast ein Jahrzehnt war er auf die Oppositionsbank verbannt. Er nutzte die Zeit geschickt und machte aus seiner Ex-KP eine in der EU anerkannte Sozialdemokratische Partei.

Drazen Budisa, Chef der Kroatischen Sozialliberalen Partei (HSLS), die nach der HDZ drittstärkste Kraft im neuen Parlament sein wird, hat eine ganz andere Biographie. Der 51jährige war inhaftierter Dissident, als Racan in der Tito-KP Karriere machte. In den vergangenen Jahren warb er mehrfach bei der regierenden Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) von Franjo Tudjman für eine "Regierung der nationalen Einheit zum Schutz aller Kroaten, in der Heimat und in der Diaspora". Trotz Ablehnung durch die HDZ bestand fortan nicht nur deshalb eine tiefe Abneigung zwischen Budisa und Racan. Kurz vor den Wahlen wurde der Streit jedoch ausgesetzt und beide beteuerten: "Wir sind ein Tandem, vor uns liegen neue Ufer". Daher tritt Budisa und nicht Racan bei den am 24. Januar angesetzten Präsidentschaftswahlen für das SDP/HSLS-Bündnis an.


 
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