© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/00 14. Januar 2000

 
Geschichtspolitik: Zu den Vorgängen am Hannah-Arendt-Institut
In die rechte Ecke gestellt
Andreas Wild

Ein Possenspiel ohnegleichen läuft derzeit in Dresden am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung ab: Direktor contra Vizedirektor, "Wissenschaftlicher Beirat" contra Kuratorium, Lechts contra Rinks, Verfassungsschutz contra freischaffende PC-Hüter. Im Mittelpunkt steht der stellvertretende Institutsdirektor Uwe Backes, langgedienter "Extremismusforscher" und Mitherausgeber des Jahrbuchs "Extremismus & Demokratie". Wenn Backes nicht bis zum 15. Januar aus dem Institut hinausgeschmissen sei, so der amerikanische "Holocaustforscher" Saul Friedländer, werde er, Friedländer, sich ostentativ aus dem Instituts-Beirat zurückziehen, und dann werde auch die Dresdner Bank ihre vielen in das Institut investierten "Forschungsgelder" abziehen.

Was hat Backes verbrochen? Er selbst hat an sich gar nichts verbrochen, aber einer seiner Mitarbeiter namens Lothar Fritze hat am 8. November vorigen Jahres in der Frankfurter Rundschau einen Artikel über den Hitler-Attentäter der dreißiger Jahre, Johann Georg Elser, veröffentlicht, der nicht ganz in das gängige Schema der PC paßte. Zwar billigte Fritze den versuchten Tyrannenmord durchaus, mäkelte aber an den dilettantischen Umständen der Tat herum. Über sechzig Personen flogen bei Elsers Anschlag im Münchner Bürgerbräukeller in die Luft, sieben von ihnen starben. Hitler aber nicht, denn der war gar nicht mehr anwesend. Angesichts solchen Desasters, meinte Fritze, bestehe Nachdenkbedarf.

Backes nun stellte sich nicht hinter Fritzes Aufsatz, meinte jedoch, ein Wissenschaftler müsse Forschungs- und Meinungsfreiheit haben, und deshalb bestehe kein Grund, irgendwie gegen Fritze vorzugehen. Seitdem also tobt der Krieg gegen Backes. Der Chef des Dresdner Instituts, Klaus-Dietmar Henke, der anfangs völlig einer Meinung mit Backes gewesen war, schwenkte plötzlich um hundertachtzig Grad herum, nannte Backes einen "Geschichtsrevisionisten", berief Institutsvollversammlungen ein, ließ Resolutionen für die sofortige Abberufung Backes verfassen, bombardierte die Medien mit wüstesten Anti-Backes-Leserbriefen und sonstigen Horror-Statements.

Inzwischen meldete sich allerdings der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Peter Frisch, mit einem erstaunlichen Statement öffentlich zu Wort. Backes, so verlautete er, sei keineswegs ein "Revisionist" und schon gar nicht ein "Rechtsextremist", dafür könne er, Frisch, die Hand ins Feuer legen. Auch die sächsische Landesregierung in Gestalt ihres Kultusministers Rößler und ihres Wissenschaftsministers Meyer betrat die Wahlstatt und weigerte sich, eine Kündigung von Backes zu paraphieren.

Nach Lage der Dinge wird Backes trotzdem den Kürzeren ziehen, denn er ist jenen starken Kräften im Wege, die aus dem Dresdner Institut ein weiteres lupenreines "Holocaust-Forschungsinstitut" machen möchten. Ursprünglich sollte das Institut nach dem Willen seiner Gründer, die aus der DDR-Bürgerrechts-Bewegung kamen, in erster Linie der historischen Aufarbeitung der totalitären DDR-Vergangenheit dienen; um zu Geld zu kommen, mußte die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit mit hereingenommen werden, und im Laufe der letzten Jahre verschoben sich die Gewichte immer mehr weg von der DDR-"Forschung", hin zur NS-"Forschung".

Parallel dazu zog auch in Dresden jener zeternde und blindlings moralisierende Zelotengeist ein, der die NS-"Forschung" auch an anderen Stellen prägt: Betroffenheitspathos an Stelle von Tatsachenfreilegung, politische Aufpeitschung an Stelle von wissenschaftlicher Gelassenheit, Tribunalcharakter an Stelle von historischer Einordnung. Ereignisse aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sollten so behandelt werden, als seien sie unmittelbar gestern passiert, und wer dagegen, wie Lothar Fritze, auch nur in Ansätzen verstößt, der sollte sofort gebrandmarkt und lahmgelegt werden. Das war nicht der Stil von Uwe Backes, und deshalb wird jetzt auch er "in die rechte Ecke gestellt", trotz seiner guten Beziehungen zum Verfassungsschutz und der Fürsprache seines Dienstleiters Frisch von der SPD.

Natürlich spricht das alles jedem Begriff von exakter Wissenschaft Hohn, es ist eine bloße Karikatur von Wissenschaft, und nicht einmal eine gute. Aber Backes und seinesgleichen sind an der Entwicklung nicht unschuldig. Auch sie operieren in ihrer Arbeit mehr politisch als wissenschaftlich, auch sie grenzen in ihren Jahrbüchern ungeniert aus, verteilen Zensuren, führen sich als Zensoren und Büttel jeweiliger Regierungen auf. Schon der von ihnen kreierte Begriff des "Extremismus" hat nichts mit Wissenschaft zu tun, hängt von Vorgaben aus der aktuellen Politik ab und blamiert jede Form von redlicher Historie.

Die sächsische Landesregierung, feige, wie CDU-Landesregierungen dem Zeitgeist gegenüber nun einmal sind, denkt zur Zeit intensiv darüber nach, wie sie Uwe Backes elegant entsorgen könne. Es sollte, so der Dresdner Wissenschaftsminister Meyer, möglichst eine "außerrechtliche Lösung" gefunden werden. Mit anderen Worten: Zu einem gerichtlichen Kündigungsstreit "Backes gegen Hannah-Arendt-Institut" will man es auf keinen Fall kommen lassen, weil dann wahrscheinlich allzu viel unliebsamer ideologischer Staub aufgewirbelt würde.

So wird sich Backes wohl bald auf einem gutversorgten Posten außerhalb seines Instituts wiederfinden (Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes?). Der Ruf des Hannah-Arendt-Instituts hingegen dürfte nachhaltig beschädigt sein.


 
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