© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/00 14. Januar 2000

 
Nachruf: Zum Tod von Bernhard Wicki
Symbolische Brücken
Werner Norden

Am 28.Oktober 1919 im niederösterreichischen St.Pölten geboren, träumte Bernhard Wicki noch als Jugendlicher davon, ein Dichter zu werden. Aber es sollte anders kommen, denn im Alter von neunzehn Jahren bewarb er sich an der Berliner Schauspielschule von Gustaf Gründgens. Nur kurze Zeit später wurde er von der Gestapo festgenommen und im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert, seine frühere Mitgliedschaft im Kommunistischen Jugendverband war ihm zum Verhängnis geworden. Nach zehnmonatiger Haft – über die Wicki erst sehr spät und auch dann nur sehr zurückhaltend und zögerlich gesprochen hat – gelang es Gründgens seine guten Beziehungen zu Goebbels spielen zu lassen und seinem Schüler zur Freiheit zu verhelfen.

In den vierziger Jahren spielte Wicki Theater in München, Salzburg, Zürich und Basel. Seine Karriere als Filmschauspieler begann mit Titeln wie "Junges Herz voll Liebe", "Das zweite Leben", "Die Mücke", "Rummelplatz der Liebe", "Erbe der Väter", "Ewiger Kaiser", "Die große Sehnsucht", "Tierarzt Dr. Vlimmen", "Gefangene der Liebe" und "Im Schatten des Kaisers".

Unvergessen bleiben aber vor allem seine Darstellungen des Hitler-Attentäters Oberstleutnant von Stauffenberg in "Es geschah am 20. Juli", des Hauptmanns Dornberg in Laszlo Benedeks "Kinder, Mütter und ein General", eines Militärpfarrers in Falk Harnacks "Unruhige Nacht" oder in der von Helmut Käutner inszenierten Dreiecks-Liebeskomödie "Die Zürcher Verlobung" an der Seite von Liselotte Pulver und Paul Hubschmid.

Wickis beste schauspielerische Leistung war jedoch die des serbischen Partisanenoffiziers Buro in Käutners Meisterwerk "Die letzte Brücke" (1954), mit dem der deutsche Film auch international wieder zu einem Begriff wurde. Der Film spielt während der deutschen Besetzung Jugoslawiens, als die Wehrmacht in verlustreichen Partisanenkämpfen verblutete. Nur die junge Feldärztin Helga (Maria Schell) wird zu einem bindenden Glied zwischen den unversöhnlichen Kriegsparteien. In der berühmten Schlußszene wagt sie sich während eines Feuergefechts auf jene die Gegner trennende Brücke, um den typhuskranken Partisanen Medikamente zu bringen. Das Schießen wird eingestellt, die Brücke erhält wieder ihre ursprüngliche und symbolische Bedeutung – die der Vereinigung –, und die schweigenden Waffen verbreiten eine unheimliche gespannte Stille. Aber auf dem Rückweg fällt die Ärztin dennoch einer verirrten Kugel zum Opfer. Der Aufbau der Handlung ging von der symbolischen Suggestionskraft des Brückenmotivs aus. In einer eindrucksvollen Weise wird die schwankende, noch kaum tragfähige Brücke zum Symbol der Versöhnung und des Verstehens.

Eine andere Brücke hat Bernhard Wicki hingegen als Regisseur weltberühmt gemacht. Der 1959 gedrehte Antikriegsfilm "Die Brücke" nach dem Roman von Manfred Gregor war nach "Warum sind sie gegen uns?" (1958) Wickis zweite Regiearbeit. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges verteidigt eine Handvoll Oberschüler eine Brücke ihrer Heimatstadt vor den heranrückenden amerikanischen Truppen. Bis auf einen sterben die Jungen in diesem sinnlosen Kampf. "Die Brücke" wurde mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht und spielte mehr als zehn Millionen Mark Gewinn ein.

Weit weniger erfolgreich war dagegen die Verfilmung des Dürrenmatt-Stoffes "Der Besuch der alten Dame" mit Ingrid Bergmann in der Titelrolle, die Wicki in Hollywood inszenierte. Daß er dennoch ein außergewöhnlicher Regisseur war, bewies er mit seinen Fernsehspielen "Das falsche Gewicht" nach einem Roman von Joseph Roth und "Sansibar oder Der letzte Grund" nach Alfred Andersch. Seinen letzten Film drehte er im Jahre 1989. Wiederum nach Motiven des gleichnamigen Romans von Joseph Roth schilderte Wicki in "Das Spinnennetz" den schleichend heraufziehenden Nationalsozialismus der zwanziger Jahre. Während der anstrengenden Dreharbeiten zu dem für einen Oscar nominierten Film erlitt er in Prag eine Gehirnblutung, was ihn aber nicht daran hinderte, "Das Spinnennetz" zu Ende zu drehen.

Neue Projekte wie die Verfilmung der Novelle "Die Sirene" von Dieter Wellershoff konnte er wegen seiner stark angeschlagenen Gesundheit nicht mehr realisieren. In München ist Bernhard Wicki am 5. Januar, wenige Monate nach seinem achtzigsten Geburtstag, an Herzversagen gestorben.


 
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