© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/00 21. Januar 2000

 
CDU-Krise: Der NRW-CDU-Fraktionschef Laurenz Meyer über die Affäre und ihre Auswirkungen
"Ich sehe nicht das Ende der CDU"
Jörg Fischer

Herr Meyer, nach den Enthüllungen bei der hessischen CDU sprach Volker Rühe – Spitzenkandidat der Union in Schleswig-Holstein – vom "schwärzesten Tag der CDU". Was sagen Sie in NRW dazu?

Meyer: Auch wir waren schon erschrocken. Eine Mischung zwischen Zorn und Traurigkeit.

Bei Ihnen ist so etwas nicht zu erwarten, oder?

Meyer: Nein.

Verfolgt man die aktuelle Berichterstattung, dann entsteht der Eindruck, durch die Finanzaffäre der CDU ist jetzt auch die Demokratie insgesamt in die Krise geraten. Da wird ja teilweise sogar vom Ende der CDU gesprochen. Drohen uns "italienische Verhältnisse"?

Meyer: Das sehe ich alles nicht - italienische Verhältnisse. Ich sehe auch nicht das Ende der CDU. Was ich sehe ist, daß hier Leute Fehler gemacht haben und daß man immer daran denken muß, daß ein Fehler offensichtlich den nächsten gleich nach sich zieht, und ein Rechtsverstoß den nächsten nach sich zieht. Und deswegen ist es eben so wichtig, daß man Sauberkeit gerade in diese Finanzfragen hineinbringt, aber es ist natürlich für alle Bürger und für mich auch eine Riesenenttäuschung, wenn dann jemand, der für Verfassung, Recht und Ordnung steht, wie Herr Kanther, dann plötzlich mit solchen Dingen auffällig wird.

Bei Ihnen stehen ja Landtagswahlen an. Besteht nicht die Gefahr, daß durch die Schwäche der Union radikalere Parteien Auftrieb gewinnen? Der Herr Möllemann bei Ihnen in NRW wirbt ja schon mal mit einem Hitlerplakat.

Meyer: Also die Union muß sich aus eigener Kraft wiederfinden und die Dinge neu und sauber ordnen. Das ist das Wichtigste. Daß die Union jetzt als Getriebener der Medien erscheint und daß die Aufklärung so schleppend geht und daß alles so bruchstückchenweise kommt, das ist das Schlimmste.

Herr Schäuble hat Altbundespräsident Herzog, Ex-Bundesbankchef Tietmeyer und Ex-Verfassungsrichter Kirchhoff gebeten bei der Aufarbeitung der Spendenaffäre mitzuhelfen.Ist das der richtige Weg?

Meyer: Das halte ich für eine gute Idee.

Die CSU aus Bayern ist verdächtig still momentan. Es gibt aber schon Stimmen, daß die CSU im Ernstfall den "ganzen Laden", um es einmal salopp zu sagen, "übernehmen" soll.

Meyer: Das sehe ich im Moment auch nicht.

Durch die Medien geistern inzwischen astronomische Geldrückforderungen an die CDU. Die kann Ihre Partei doch niemals leisten, oder?

Meyer: Also ich finde, diesen Prozeß sollte man gesetzlich erklären und dann sehen, wie man mit den Dingen umgehen muß, was für Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Eindeutig muß aufgeklärt werden und wieder gut gemacht werden, was man falsch gemacht hat, und dazu muß man stehen. Und wer da etwas falsch gemacht hat, muß auch die Konsequenzen tragen.

Bundeskanzler Schröder kann ja inzwischen machen, was er will, er hat durch die CDU-Krise quasi freie Bahn im Bund. Bei Ihnen im Land stehen Wahlen an, die Umfragen sehen nicht gut aus für die CDU, oder?

Meyer: Da gibt es sehr unterschiedliche Umfragen. Die Welt am Sonntag hat kürzlich eine Umfrage veröffentlicht – parallel zum WDR – die sieht etwas anders aus, danach trennt CDU und SPD zur Zeit gerade mal ein Prozentpunkt. Aber – das ist im Moment auch nicht mein Thema. Wir werden vor den Wählern nur bestehen, wenn die Wähler selbst den Eindruck haben, daß wir einen Beitrag zur Aufklärung mitgeleistet haben – nicht nur bei den SPD-Affären im eigenen Land, sondern auch in der eigenen Partei.

Über die West-LB-Flugaffäre der SPD spricht man bundesweit kaum noch. Halten Sie da nicht mehr gegen?

Meyer: Sicher spricht man davon. Ich finde, daß die SPD gerade hier in NRW schon ein gehöriges Maß an Scheinheiligkeit an den Tag legt. Im eigenen Bereich kümmern sie sich überhaupt nicht um die Aufklärung dieser Vorkommnisse, die also wirklich skandalös sind: die ganzen Geldausgaben am Haushalt vorbei, Flüge auch zum Teil sehr privat bestimmt oder parteipolitisch motiviert, und dieses ganze Filzgeflecht, daß es hier gibt, da sollte sich der Clement mal zunächst darum kümmern, ehe er mit dem Finger auf andere Leute zeigt. Wir müssen das in unserer eigenen Partei erledigen, und er sollte das in seiner tun. Da hat er genug zu erledigen.

Im Zuge der Spekulationen um einen Nachfolger für den CDU-Bundesvorsitzenden Schäuble wird immer häufiger – vor allem aus der Jungen Union – der Sauerländer Bundestagsabgeordnete Friedrich Merz genannt, der ja aus Ihrem Landesverband kommt. Wäre er der Richtige?

Meyer: Zu Fragen, die im Moment nicht anstehen, sprich Schäuble-Nachfolger, möchte ich mich im Moment nicht äußern. Allerdings haben wir in NRW mehrere gute Leute, die für Führungspositionen in Frage kommen. Herr Merz ist sicherlich einer, der sich im Bundestag in den letzten Monaten sehr profiliert hat. Das ist überhaupt keine Frage.

Politische Inhalte werden zur Zeit überhaupt nicht mehr diskutiert...

Meyer: ...Das ist allerdings wahr. Das bedauere ich am meisten, daß wir über Inhalte zur Zeit kaum sprechen können, weil diese Skandale alles überdecken.

Wie wollen Sie denn dann in Ihrem Bundesland Wahlen gewinnen? Selbst die Steuervorschläge von CDU und CSU sind weder in den Medien, geschweige denn bei den potenziellen Wählern angekommen.

Meyer: Deswegen müssen die Probleme innerhalb der CDU möglichst schnell geklärt werden, damit wir endlich wieder über Sachfragen sprechen können. Hier in NRW zum Beispiel über die desolate Lage am Arbeitsmarkt, über die verheerende Situation an den Schulen, den Unterrichtsausfall, den Lehrermangel und die Qualität des Unterrichts. Das sind zwei ganz wichtige Punkte, die hier von uns thematisiert werden sollen. Zu einem Wahlkampf gehört, daß wir zunächst mal in den Medien überhaupt wieder mit Sachthemen reinkommen, daß wir mit der Bevölkerung überhaupt erst mal wieder über Sachthemen reden können.

Das neue Staatsbürgerschaftsrecht ist zum Jahresanfang in Kraft getreten. Bayern beispielsweise fordert für die Einbürgerung eine harte Sprachprüfung. In SPD-regierten Ländern sieht man das völlig anders. Wie positionieren Sie sich da?

Meyer: Jemand, der Deutscher werden will, sollte auch Deutsch können. Da wäre ich eher auf der bayerischen Linie, ja.

Auch im Punkt der Regelanfrage beim Verfassungsschutz?

Meyer: Das halte ich auch für richtig. Ja.

Die Ökosteuer wird in weiten Teilen des Volkes – gerade bei Kleinverdienern – abgelehnt. Doch sie war ja auch schon mal von CDU-Kreisen vorgeschlagen worden. Was halten Sie inzwischen von dem Thema?

Meyer: Die Ökosteuer, wie sie zur Zeit existiert, ist eine reine Abzockerei, insbesondere für Pendler, die ihren Arbeitsplatz erreichen müssen, Landwirte oder auch zum Beispiel für das Transportgewerbe. Das ist in einem Maße betroffen, daß es existenzgefährdend ist. Das als "öko" auszugeben, das ist weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll, so wie das gemacht wird.

Thema Rente: Ihre Rentenreform – vor zwei Jahren beschlossen – ist inzwischen von Rot-Grün zurückgenommen. Wollen Sie das BlümGesetz wieder einbringen oder haben Sie inzwischen neue Ideen?

Meyer: Also, das Wichtigste ist, daß die Parteien gemeinsam herangehen – und da muß auch die CDU einen wesentlichen Beitrag leisten – über das hinaus, was der Norbert Blüm vorgeschlagen hatte: Also die Bevölkerungsentwicklung mit in die Rentenformel einzubeziehen. Wir brauchen ein Konzept, das langfristig für die heute 30jährigen auch noch eine vernünftige Altersabsicherung möglich macht. Und zu diesem Thema – Altersabsicherung für die heute 30jährigen – sind alle Parteien noch nicht richtig präpariert, um den jungen Leuten eine Antwort zu geben.

Sie haben also auch noch keine konkreten Antworten parat?

Meyer: Wir arbeiten ja gerade dran, auch auf der Bundesebene, in der Kommission, die von dem Christian Wulff geleitet wird. Und da werden wir uns im Verlaufe dieses Jahres mit Lösungsvorschlägen beschäftigen, mal unabhängig von den Rentenvorschlägen, die jetzt auf dem Tisch liegen. Auch in dem Zusammenhang muß das schon diskutiert werden.

Die Hessen-CDU war voriges Jahr sehr erfolgreich mit ihrer Kampagne gegen den Doppelpaß. Die FDP macht jetzt mobil gegen die Ökosteuer. Und Sie?

Meyer: Darüber sind wir jetzt gerade in den internen Beratungen. Wir werden das rechtzeitig der Öffentlichkeit vorlegen.

 

Laurenz Meyer 1948 in Salzkotten/Westfalen geboren, schloß 1975 sein Studium an der Universität Münster als Diplomvolkswirt ab. Anschließend war er bis 1999 in verschiedenen Funktionen bei der Vereinigten Energie-Werke AG in Dortmund tätig. Ab 1975 war er für die CDU Mitglied des Rates der Stadt Hamm in Westfalen, seit 1989 als Fraktionsvorsitzender seiner Partei. Seit 1990 ist er Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen und wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion. 1995 wird er zusätzlich Schatzmeister der NRW-CDU. 1997 wählt ihn die Landtagsfraktion zu ihrem stellvertretenden Vorsitzenden. Seit 1999 ist Laurenz Meyer Fraktionsvorsitzender der CDU-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen.


 
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