© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/00 21. Januar 2000


Spendenaffäre II: Markus Kurze, Landeschef der Jungen Union in Sachsen-Anhalt, über Konsequenzen für die CDU
"Das Volk will neue Köpfe sehen"
Jörg Fischer

Herr Kurze, die CDU-Spendenaffäre hat durch die Vorgänge in Hessen ihren bisherigen Höhepunkt erreicht. Wie beurteilen Sie die Vorgänge?

Kurze: Manfred Kanther trägt die Verantwortung für die Vorgänge in Hessen, das ist doch offensichtlich. Und nur ein Sonderparteitag mit dem Rücktritt des gesamten Bundesvorstandes und anschließenden Vorstandsneuwahlen kann die CDU insgesamt noch glaubwürdig und handlungsfähig darstellen. Der Generationswechsel in der CDU muß kommen. Deshalb sollten die "Jungen Wilden" – inzwischen auch schon über 40 – wie Christian Wulff, Roland Koch oder Friedrich Merz in die Verantwortung gebracht werden. Die Ära Kohl ist nun mal zu Ende, ein zukünftiger Nachfolger muß das verkörpern. Ich denke, das Volk will neue Köpfe und neue Leute sehen. Eins steht für mich jedenfalls fest: Herr Biedenkopf ist – bei allen Verdiensten – nicht unbedingt der, den ich als nächsten Vorsitzenden sehen will. An der Bundesspitze brauchen wir Schwung und Dynamik.

Könnte auch eine Frau die CDU führen?

Kurze: Ja, ich denke dabei beispielsweise an Angela Merkel.

Ist auch ein Kandidat aus Sachsen-Anhalt denkbar?

Kurze: Meine Partei in Sachsen-Anhalt bemüht sich gerade selbst, einen Spitzenkandidaten für die nächste Landtagswahl zu finden. Wir haben noch keinen, den wir von heute auf morgen nennen könnten.

Wie ist die Stimmung in der Provinz, an der CDU-Basis und beim Nachwuchs?

Kurze: Von der Sache her sind wir natürlich auch mehr oder weniger enttäuscht, daß da solche Fehler in der Vergangenheit gemacht wurden, vom Kanzler bis hin zu Herrn Schäuble. Die Stimmung ist auch dementsprechend. Sicher, wo gearbeitet wird passieren auch Fehler, aber es ist für uns natürlich nicht einfach jetzt. Es ist schwierig hier direkt an der Basis, besonders wenn ich mal als Ortsvorsitzender der CDU spreche. Ich werde tagtäglich von den Leuten mit der Spendengeschichte konfrontiert, ich bekomme es sozusagen hier "jeden Tag aufs Brot geschmiert".

Wie reagieren SPD oder PDS bei Ihnen, mit Hähme?

Kurze: Direkte Angriffe gibt es von den anderen Parteien eigentlich nicht, denn jeder sollte ja erst einmal bei sich vor der Tür kehren. Und die anderen wissen auch, es bringt nichts, sich so weit aus dem Fenster zu lehnen, denn das, was die rot-rote Landesregierung hier in Sachsen-Anhalt an Politik fabriziert, wird unser Land kaputtwirtschaften. Und wenn ich dann an die rot-grüne Bundesregierung denke... Spätestens an der Tankstelle spürt jeder ihre Politik.

Ist das Denkmal Kohl durch die Spendenaffäre ins Wanken geraten?

Kurze: Seine Leistungen werden immer noch anerkannt, die kann man damit nicht einfach wegwischen. Die Ostdeutschen sollten eigentlich die letzten sein, die sich da hervortun und fordern, der Altkanzler gehört nun ins Gefängnis. Wir in den neuen Bundesländern haben Helmut Kohl viel zu verdanken. Wir sollten uns mal zurückerinnern, wie es war, vor zehn, elf Jahren... Deshalb ist die Stimmung noch ganz gut.

Auch Wolfgang Schäuble hat seine persönliche "Spendenaffäre",einige in der CDU, wie Friedhelm Ost, fordern daher seinen Rücktritt.

Kurze: Ich bin nun nicht derjenige, der deshalb gleich den Rücktritt von ihm fordert. Dazu weiß ich zu wenig. Ich weiß auch nur das, was jetzt in den Medien über die 100.000 Mark kursiert. Was mich natürlich ärgert ist, daß es erst jetzt an die Öffentlichkeit kommt, daß erst Wochen später von Schäuble gesagt wird: "Ich habe damals auch mal eine Spende entgegengenommen." Andererseits, wenn er eine Spende entgegen nimmt und sie durch einen Geschäftsführer oder die Buchhalterin verbuchen läßt, dann muß er sich letztendlich auch darauf verlassen können, daß es ordnungsgemäß läuft. Denn wenn ich mich als Vorsitzender auch noch um jede einzelne Spende kümmern müßte und nachsehen müßte, ob diese nun auch richtig verbucht wurde, das wäre ein bißchen viel verlangt, oder?

Die Diskussion um Schäuble ist also überzogen?

Kurze: Die halte ich momentan immer noch für überzogen. Ich fordere aber: Aufklärung, Transparenz und Offenheit. Wenn aber alles aufgeklärt ist, dann muß es Konsequenzen geben innerhalb der Partei.

Seit der Spendenaffäre wird über Politikinhalte gar nicht mehr gesprochen. Wie soll sich die CDU nach einem Führungswechsel positionieren, konservativ, wirtschaftsliberal oder gar schwarz-grün?

Kurze: Mit den Grünen – das würde ich ablehnen. Was die Grünen in unserem Bundesland hier in vier Regierungsjahren angerichtet haben, war katastrophal. Das geht nicht. Bei uns an der Basis ist oft zu hören: Gucken wir doch mal nach Bayern, da ist alles vernünftig, da ist alles in Ordnung. Diese Linie hört man immer öfter. Dort ist die Arbeitslosigkeit gering. Sicherlich, Bayern war auch mal ein armes Land, aber die haben sich hochgewirtschaftet. Da funktioniert es. Damit könnte ich mich auch anfreunden. Bayerische Verhältnisse habe ich daher schon mal in meiner Funktion als JU-Kreisvorsitzender gefordert.

Wie will die CDU ihre neuen Inhalte rüberbringen, der Spendenskandal verdeckt doch alles?

Kurze: Wir führten im letzten Jahr einige erfolgreiche Aktionen durch. Kürzlich haben wir an den Tankstellen was zur Ökosteuerstufe 2 veranstaltet, aber es kommt kaum rüber in der Presse. Die fragen uns alle - ob Landes-CDU, Bundestagsabgeordneter bis hin zur Jungen Union – nur nach den Spenden. Alle anderen Probleme finden gar nicht statt, damit kommt man auch gar nicht in die Medien rein.

Ist ein rot-grüner Durchmarsch bei den anstehendenWahlen noch zu verhindern?

Kurze: Ja, wenn sich die Partei auf die Fehlleistungen der Bundesregierung konzentriert und den aufgestauten Ärger in der Bevölkerung aufgreift und unsere Alternativen präsentiert. Das notwendige Personal habe ich ja schon am Anfang angesprochen.

 

Markus Kurze, 1970 in Burg bei Magdeburg geboren, ist CDU-Mitglied und Landesvorsitzender der Jungen Union (JU) in Sachsen-Anhalt. Nach Abschluß seines Studiums zum Grundschullehrer war er zunächst fünf Jahre als Pädagoge in der Jugendarbeit des Deutschen Roten Kreuzes im Kreis Jerichower Land tätig. In seiner Freizeit beschäftigte er sich mit der Stadtgeschichte und verlegte bislang drei Bücher darüber. 1999 konnte er sein Hobby zum Beruf machen und leitet seither den Aufbau des Stadtmuseums in seiner Heimatstadt Burg. 1994 trat er der CDU bei und wurde Mitglied der JU. Seit der Kommunalwahl im Juni 1999 sitzt der 29jährige als jüngstes Mitglied im Kreistag des Jerichower Land. Außerdem ist er CDU-Ortsverbandsvorsitzender in Burg.


 
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