© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/00 21. Januar 2000

 
Frauen und Wehrpflicht
von Alexander Schmidt

Das Urteil des europäischen Gerichtshofes, daß Frauen ihren Dienst in den deutschen Streikräften jetzt auch als sogannte "Kombattantinnen" versehen können, hat keinen direkten Einfluß auf die Aufhebung der Wehrpflicht.

Allerdings kann es als Katalysator gesehen werden, durch den die Entwicklung zur Berufsarmee beschleunigt wird. Allen Versicherungen von Opposition und Bundeswehrführung zum trotz wird die grüne Verteidigungsexpertin Angelika Beer Recht behalten, die das Ende der Wehrpflicht ankündigte und die Diskssion um die Freiwilligenarmee auf die Tagesordnung gebracht hat. Der sozialdemokratisch orientierte Oberst und Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Berhard Gertz, sprach bereits kurz nach dem Richterspruch davon, daß er eine Reduzierung der Wehrpflicht auf vier bis sechs Monate für möglich halte. Deren endgültige Umsetzung läßt höchstens bis Ende dieses Jahres auf sich warten.

Die eigentliche Entscheidung zur Freiwilligenarmee fiel aber bereits, nämlich auf der letzten Kommandeurstagung der Bundeswehr in Hamburg. Dort stellte Verteidigungsminister Rudolf Scharping das neue und von den USA unterstützte Konzept der deutschen Streitkräfte als mobile Einsatztruppe vor, deren hochspezialisierte Kämpfer, Krisenreaktionskräfte und Kommando Spezialkräfte, schnell von einem Einsatzort zum anderen verlegt werden können. Ob mit oder ohne Frauen bleibt dann kein Platz mehr für den Einsatz von Soldaten, die durch eine Wehrpflicht nur die Grundbegriffe des militärischen Lebens hinlänglich kennengelernt haben.

Wollte man die Wehrpflicht beibehalten, müßte neben der professionellen Armee also eine zweite Truppe existieren, die aus Rekruten besteht und ein Schattendasein in den hinteren Kasernenhöfen führt. Und das ist schon wegen der von Rot-Grün beschlossenen Kürzung des Verteidigungshaushaltes und der damit verbundenen Reduzierung der Truppenstärke eine naive Vorstellung. Wir befinden uns auf dem Weg in den westeuropäischen Konsens. Mit Ausnahme von Griechenland und der Türkei haben fast alle Nato-Länder bereits Berufsarmeen, in denen durchschnittlich fünf Prozent aller Soldaten weiblich sind.

Ob Wehrpflicht ja oder nein: Letztlich bleibt die Frage offen, ob die weitgehende Öffnung der Bundeswehr für Frauen der richtige Weg ist. Die werden sich viele spätestens dann stellen, wenn ihre Kameradinnen Feinden in die Hände fallen, die keine "Genfer Konventionen" kennen oder im Fadenkreuz der eigenen Waffe eine Frau auftaucht.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen