© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/00 21. Januar 2000

 
Kurt Biedenkopf
Gipfel der Popularität
von Paul Leonhard

So wohl dürfte sich Kurt Biedenkopf in seiner Haut noch nie gefühlt haben: In Sachsen seit fast einem Jahrzehnt der unumstrittene, beliebte Landesvater, dem selbst die Opposition Tribut zollt. Und jetzt bundesweit umschmeichelt von vielen Parteifreunden. Doch welche Veranlassung sollte Biedenkopf wohl haben, das gemütliche Sachsen zu verlassen, um den Sumpf trockenzulegen, den sein Intimfeind Helmut Kohl hinterlassen hat? Aus der Distanz läßt es sich besser beobachten und urteilen. Den Part als einen gegen den Kanzler der deutschen Einheit zu Felde ziehenden Partei-Rebellen hat er gut gespielt, auch den als Reformer, der die Sanierung der Rentenkasse und Sozialsysteme anmahnt.

Dabei hat den Professor für Arbeits- und Wirtschaftsrecht, der Anfang der 70er Jahre in die Politik ging und dort bis zum CDU-Generalsekretär aufstieg, die Berufszufälligkeit – wie der Publizist Friedrich Karl Fromme es nannte – nach Dresden geführt. Nicht nur die friedliche Revolution erwies sich für den von Kohl abservierten Politiker als Glücksfall der Geschichte. Auch, daß der von den sächsischen Christdemokraten auserkorene Heiner Geißler nicht für das Amt des Ministerpräsidenten in Sachsen kandidieren wollte. Biedenkopf, der bereits als Gastprofessor an der Universität Leipzig lehrte, packte die Chance beim Schopf. Er sorgte nicht nur dafür, daß Sachsen das wirtschaftlich führende neue Bundesland wurde, er lernte auch schnell mit den Sachsen umzugehen. Ein einziges Mal wurde er ausgepfiffen, als er über den Dialekt witzelte: "Die Sachsen können alles, nur kein Hochdeutsch".

Die wirtschaftlichen Rückschläge und auch die Affären seiner Innenminister schadeten dem Ruf des populären Landesvaters nicht. Zwar grummelten zeitweise einige Kabinettsmitglieder über die in ihren Ohren allzu barsche Kritik am hochgeschätzten Bundeskanzler, aber die ließ der Premier gewähren. Spätestens seit man Biedenkopf im Frühsommer 1998 als möglichen Bundespräsidenten handelte, wurde auch seine Streitlust gen Bonn gezähmt.

Wäre das Bundespräsidentenamt für Biedenkopf die Krönung seiner Politikerkarriere gewesen, so scheint das Amt des CDU-Vorsitzenden alles andere als erstrebenswert. Zumal er lediglich, so die Spekulationen, für ein, zwei Jahre den Posten übernehmen könnte. Aber das will Biedenkopf auf keinen Fall sein: ein Moderator für die Übergangszeit.

Biedenkopf, der am 28. Januar seinen 70. Geburtstag begeht, kann zufrieden sein. Er hat sich durchgesetzt, gilt als integre Figur mit unbezweifelbarer Autorität. Vielleicht empfindet er es doch noch als Luststeigerung, die CDU aus der Krise zu führen. Vielleicht aber zitiert er auch nur auf hochdeutsch den letzten Sachsen-König: Macht euern Dreck alleine. Doch das würde der gebürtige Ludwigshafener nie laut sagen.


 
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