© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/00 21. Januar 2000

 
Interview: Zwei Praktikanten im Gespräch mit Dieter Stein über Vergangenheit und Zukunft der JUNGEN FREIHEIT
"Diese Zeitung soll ein freies Forum sein"
Alexander Schmidt/Moritz Schwarz

Am 21. Januar 1994, vor sechs Jahren, erschien die JF erstmals als Wochenzeitung. Die JF als Titel hast Du aber schon vor fast vierzehn Jahren als Zweimonatszeitschrift gegründet. Wie kamst Du zum politischen Engagement?

Stein: Ich bin schon als 15jähriger in die Junge Union, die Jugendorganisation der CDU/CSU, eingetreten. Das war vor dem Konstruktiven Mißtrauensvotum gegen Helmut Schmidt, durch das Helmut Kohl 1982 Bundeskanzler wurde. 1984 bin ich enttäuscht aus der JU ausgetreten ...

Warum?

Stein: Ich war in die JU eingetreten, weil ich geglaubt habe, daß sich die Union für die deutsche Einheit mehr engagieren würde als die SPD. Das war nicht der Fall. Im Gegenteil. Kohl bekräftigte oft genug, daß die Einheit nicht auf der Tagesordnung deutscher Politik stünde. Erst als die Mauer fiel, ergriff er den Mantel der Geschichte. Außerdem wurde das Versprechen einer geistig-moralischen Wende nicht eingelöst. Business as usual hieß es, nachdem Kohl das Kommando übernommen hatte. Was Kohl unter Geist und Moral versteht, kommt ja nun durch den Spendenskandal Schritt für Schritt ans Tageslicht.

Wie aber kam es zur Idee, die JF zu gründen?

Stein: Nach meinem Austritt aus der JU war ich den beiden 1983 ebenfalls wegen der enttäuschenden Deutschlandpolitik aus der CSU ausgetretenen Bundestagsabgeordneten Handlos und Voigt gefolgt in die von Handlos gegründeten Republikaner. Als Schönhuber 1985 Handlos weggeputscht hatte, verließ ich mit Handlos die Partei und folgte ihm bei dem wenig später gescheiterten Versuch, einen deutschen Ableger der FPÖ unter dem Namen "Die Freiheitlichen" zu gründen. Handlos mußte die liberal-konservative Partei dann "Freiheitliche Volkspartei" nennen, weil ihm jemand den Namen streitig machte.

"Wenn die Linke national gewesen wäre, wäre ich dort gelandet"

Daher der Name "Junge Freiheit"?

Stein: Ja. Die JF sollte anfangs die Zeitschrift der Jugendorganisation der Handlos-Partei sein.

Und wo fiel das erste Mal der Name?

Stein: Beim Grillen im Garten zweier Freunde – Bernhard und Karl Lukau – in Freiburg-Kappel. Dort trafen wir uns zum Diskutieren mit wenigen Freunden, die in Freiburg studierten, grillten Würstchen ... bei Bier und Kartoffelchips kam dann der zündende Gedanke.

Wie habt Ihr das Projekt finanziert?

Stein: Die erste Ausgabe – ich weiß es noch genau – hatte eine Auflage von 400 Exemplaren, und der Druck kostete 100 DM, die ich aus meiner Tasche bezahlt habe. Ich habe damals an einer Tankstelle an Wochenenden Dienst geschoben, um mein Taschengeld aufzubessern.

Wer hat Dich unterstützt?

Stein: Wenn meine Eltern nicht grundsätzlich politisches Engagement begrüßt hätten, hätte ich das nicht machen können. Geld gaben Sie mir dafür aber nicht.

Waren in Deiner Familie alle einer Meinung?

Stein: Nein. Ich habe vier Geschwister, die alle tendenziell eher grün-alternativ orientiert sind. Mütterlicherseits kam sozialdemokratische Prägung, väterlicherseits preußisch-freiheitlich-konservative. Mein Vater war aber SPD-Mitglied gewesen.

Wen konnte die JF als Leser für sich interessieren?

Stein: Bis zum Mauerfall war die deutsche Frage das Hauptthema der JF. Die Autoren, die Leser, die zu ihr stießen, hatten in erster Linie ein Interesse an der nationalen Frage.

Warum bist du ein "Rechter" geworden?

Stein: Wenn die Linke Anfang der achtziger Jahre national gewesen wäre und sich für die Wiedervereinigung eingesetzt hätte, wäre ich dort gelandet. Aber es war nicht so.

Hast Du versucht, Dich "links" zu engagieren?

Stein: Ich war 1982 Gegener des Nato-Doppelbeschlusses und ein Anhänger der Idee einer blockfreien, neutralen Wiedervereinigung. Weder Nato noch Warschauer Pakt und kein deutsch-deutscher Bruderkrieg – das war meine Vorstellung. Ein paar Mal war ich bei Treffen der von den Grünen bestimmten "Friedensgruppe Dreisamtal" dabei, die sich in der evangelischen Kirche Kirchzarten traf, aber ich konnte niemanden von der Idee des "Friedens durch Einheit" begeistern.

Dann hättest Du die JF ja 1989/90 zumachen können.

Stein: Inzwischen hatte sich ein lebendiges Zeitungsprojekt entwickelt. Aus der JF war eine überregionale konservative Studentenzeitung geworden, die zunächst besonders von Verbindungsstudenten gelesen und verbreitet wurde. Großes Augenmerk widmeten wir – bis heute – der Frage neuer Parteien, die das festgefahrene Parteiensystem aufbrechen und dem Wähler Alternativen bieten sollten – insbesondere zur CDU.

Manchmal hat man den Eindruck, die JF berichtet negativer über die CDU als über die SPD und die Grünen.

Stein: Meine Enttäuschung über den gleichgültigen Kurs der CDU in Bezug auf die deutsche Frage sitzt tief. Das System Kohl, das jetzt zusammenbricht, hat mehr Schaden angerichtet, als es eine SPD-Regierung mit starker Opposition hätte tun können.

Warum zog die JF 1993 von Freiburg nach Potsdam bzw. Berlin?

Stein: Es stellte sich die Existenzfrage. Bis 1993 war die JF ein Hobbybetrieb. Alle Autoren schrieben gratis, keiner verdiente eine Mark. Ich kam zum Schluß: Die JF kann nur als Wochenzeitung Mitarbeiter ernähren, nur als Wochenzeitung wird sie ernst genommen und sie muß in die Hauptstadt, wo die Musik im neuen Deutschland spielt.

Ein Trommelfeuer von Angriffen brach bereits 1993/94 über die JF herein. Die Druckerei brannte, Dein Auto ging ebenfalls in Flammen auf, Autoren wurden auf der Buchmesse verprügelt, Kioske wurden und werden bedroht. Hast Du nicht manchmal die Schnauze voll gehabt? Warum hast Du 1994 nicht den Kram hingeschmissen?

Stein: Rückblickend ist das verwunderlich. Das Vorgehen gegen die JF berührte aber zutiefst mein Unrechtsbewußtsein.

Was heißt das?

Stein: Es will mir nicht in den Kopf, daß man als "Rechtsextremist" beschimpft werden kann, wenn man sich für die Grundlagen unseres Staates einsetzt: Freiheit, Demokratie, Volk, Nation. Statt dessen wird die Verfassung, die auf diesen Werten aufbaut, als Bürgerkriegswaffe gegen politische Minderheiten in Stellung gebracht, und Werte wie Meinungsfreiheit und Pressefreiheit werden zerstört.

Gibt es etwas, was Du rückblickend als Fehler ansiehst?

Stein: Ich würde heute nicht mehr – wie in einem Fernsehinterview 1993 – markig vom Problem der "Durchdemokratisierung" unserer Gesellschaft reden. Das exakte Gegenteil ist unser Problem: Wir haben eine Gesellschaft, die den Menschen entmündigt und die ins Totalitäre tendiert. Wir haben nicht zuviel, sondern zu wenig Demokratie!

Wie kommst Du damit klar, daß einige Zeitungen und der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz die JF unter den Verdacht extremistischer Tendenzen stellen?

Stein: Diese deutsche Neigung zur Kriminalisierung mißliebiger politischer Positionen ist ein trauriges Kapitel. Ich fühle mich persönlich getroffen, trage Verantwortung für Mitarbeiter und deren soziales Umfeld. Man will Menschen fertigmachen, indem man sie unter Verdacht setzt.

"Das Vorgehen gegen die JF berührt zutiefst mein Unrechtsbewußtsein"

Lohnt es sich, dagegen aufzubegehren?

Stein: Selbstverständlich! Deshalb habe ich nicht aufgegeben! Wir dürfen die Gegner der Freiheit und der Demokratie nicht triumphieren lassen. Konservative, Liberale, Sozialdemokraten müssen sich gleichberechtigt äußern können. Politische Konkurrenten aus dem öffentlichen Diskurs auszuschalten, in dem man sie zu "Extremisten" stempelt und mit der Faschismuskeule erschlägt, ist ein Zeichen für die totalitären Züge unseres Zeitgeistes.

Was will die JF denn nun sein? Gibt es eine inhaltliche Linie?

Stein: Nachträglich hat sich unser Name als genial herausgestellt. Etwas aus dem Zufall geboren, trägt er den meines Erachtens wesentlichen politischen Begriff in sich, den der Freiheit. Individuelle Freiheit bedarf eines Staates, der dafür sorgt, daß nicht die Freiheit des Schwächeren durch den Stärkeren eingeschränkt wird. Dieser Staat kann nur der geschichtlich gewachsene Nationalstaat sein, wie wir ihn in Deutschland kennen. Darüber hinaus soll die JF eine Zeitung mit einer konservativen Grundlinie, aber mit Forum-Charakter sein. Gegensätzliche Positionen sollen sich frei begegnen können.

Welches sind die inhaltlichen Schwerpunkte – auch für die Zukunft?

Stein: Die deutsche Einheit war ein Geschenk des Himmels. Dennoch hat 1989 leider noch nicht dazu geführt, daß die erstarrten Formen des westdeutschen Politikbetriebs aufgebrochen wurden – sie wurden lediglich auf die neuen Länder ausgedehnt. Die Themen Demokratiereform, direkte Demokratie, Stärkung der Mitwirkung der Bürger bei gleichzeitiger Schwächung der anmaßenden Parteiapparate wird durch den Zusammenbruch des Systems Kohl hochaktuell. Da müssen wir dran bleiben und Avantgarde sein.

Steht die JF wirtschaftlich immer noch auf wackeligen Beinen?

Stein: Wir haben 1998 die letzte "Rettungskampagne" durchgeführt und konnten insbesondere durch Spenden die JF vor dem Aus retten. Ohne Spenden wäre die JF auch jetzt nicht voll zu fianzieren.

Warum hat die JF keinen Mäzen? Wem gehört überhaupt die JF?

Stein: Ich bin heilfroh, daß der JF nie ein großer Gönner über den Weg gelaufen ist, der in väterlicher, kohl’scher Manier die JF umarmt und erdrosselt hätte. Statt dessen ist die JF – aus der Not eine Tugend machend – eine vitale, kleine, aber unabhängige Bürgerinitiative geworden. Die rund 1,3 Millionen Kommanditkapital verteilen sich breit auf 220 Kommanditisten. Die Mehrheit an der geschäftsführenden GmbH der KG halte ich selbst mit 70 Prozent. Einflußnahme auf den Kurs der Zeitung ist somit für Dritte ausgeschlossen.

Was fehlt zum Durchbruch?

Stein: Wir brauchen dringend mehr Leser. Bis zum 31. März benötigen wir wenigstens 2.000 neue Abonnenten, um den leichten Rückgang vom Vorjahr auszugleichen und die Zahl hinzuzugewinnen, um Geld in notwendige Innovationen zu stecken.

Nämlich?

Stein: Das Computersystem der Redaktion ist beispielsweise fünf Jahre alt! Wenn die Abonnenten zusammenkommen, dann werden wir das redaktionelle Angebot erhöhen und verbessern können. Hierzu kommt in Kürze eine Leserumfrage. Das Erscheinungsbild wird verbessert, und wir müssen mehr Werbung machen können.


 
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