© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/00 28. Januar 2000

 
Spendenaffäre: Der Niedergang der CDU verändert das Parteiensystem
Die gelenkte Republik
Dieter Stein

Nun hat die CDU am vergangenen Montag ihren lange angekündigten Rechenschaftsbericht vorgelegt. Über zwölf Millionen Mark konnten die von der Partei beauftragten Wirtschaftsprüfer nicht nach ihrer Herkunft entschlüsseln. Die Rechenschaftsberichte waren also jahrelang widerrechtlich getürkt, Gesetze gebrochen, die Spender verschleiert worden.

Ein Jahr nach dem Führungswechsel an der Spitze der CDU bricht ein ausgeklügeltes Herrschafts- und Finanzsystem zusammen, das Helmut Kohl in 25jähriger Arbeit aufgebaut hatte. Jeder, der vor Kohls freiwilligem Abgang dagegen aufbegehren wollte, zog den kürzeren. Wie sich jetzt herausstellt, ist dies kaum verwunderlich. Kohl hatte durch sein System die Gliederungen der Partei gefügig gemacht und konnte jeden Widerstand erfolgreich brechen.

Nach der Vorlage des Berichts der Wirtschaftsprüfer spekuliert die CDU darauf, daß den Journalisten und den Bürgern inzwischen das Thema zu den Ohren herauskommt. Ach, nur zwölf Millionen? Die Zahl löst nur ein Gähnen aus, schließlich wurden bereits weitere 30 Millionen ins Spiel gebracht, die angeblich von François Mitterand über die Staats-Firma Elf an Kohl vermittelt worden sein sollen.

Das Unverschämte am Verhalten der CDU ist, wenn sie glaubt, weiterhin Anspruch auf Sonderbehandlung zu haben. Großzügig bot sie nun dem Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse an, 6,5 Millionen Mark an Buße zu zahlen für die falschen Rechenschaftsberichte der Partei. Von der Bundestagsverwaltung werden hingegen Strafzahlungen zwischen 30 und 40 Millionen DM erwogen. Wenn Thierse alle Mittel ausschöpft, könnten sogar Rückforderungen von bis zu 400 Millionen DM fällig werden, so die Berliner Zeitung. Die CDU wäre damit bankrott. Anstatt nun gegen den für das Desaster verantwortlichen Ex-Vorsitzenden Kohl auch gerichtlich vorzugehen, droht CDU-Chef Schäuble Thierse mit einem Rechtsstreit, falls die Rückzahlungsforderungen zu hoch ausfallen: eine "existentielle Bedrohung", sei dies für seine Partei.

Warum soll die CDU in diesem Fall eine Sonderbehandlung genießen, wenn sie objektiv gesetzeswidrig gehandelt hat? Kanzler Schröder ist zuzustimmen, wenn er bestreitet, daß die aktuellen Vorgänge eine "Staatskrise" seien. Sie sind derzeitig eine ausschließliche Krise der CDU. Wenn daraus auch künftig keine Staatskrise werden soll, muß die CDU in aller Härte die rechtlichen Konsequenzen zu spüren bekommen. Eine Sonderbehandlung dieser Partei liefe auf eine neue Rechtsbeugung hinaus.

In den vergangenen Tagen ist ein neues Argument aufgetaucht, weshalb die CDU zu den besonders schützenswerten Arten in unseren Breiten zählt: Sie stelle einen "Damm gegen rechts" dar. Mit anderen Worten: Die CDU habe effizient dafür gesorgt, daß es in Deutschland keine parlamentarische Rechte gibt, daß das bürgerlich-konservative Spektrum von der CDU monopolisiert wurde. Tatsächlich ist es so, daß die CDU fanatischer gegen rechts als gegen links kämpfte. Auch reichte das "System Kohl" bis weit in die Medien hinein. So verschlossen sich mitten in den Wahlkämpfen "überraschend" die auflagenstarken Zeitungen des Springer-Verlages den Anzeigen des Kohl-Gegners und Euro-Kritikers Manfred Brunner. So flirten in Baden-Württemberg CDU-Politker offen mit den Grünen, denken andere über eine Normalisierung des Verhältnisses zur PDS nach, um gleichzeitig die aus einer Abspaltung von der Union entstandenen Republikaner wie Aussätzige zu behandeln und zu Extremisten zu stempeln.

Dieser politische Hochmut wird sich rächen. In Österreich erleben wir in diesen Tagen die Beerdigung eines in Jahrzehnten festgefahrenen Machtkartells aus Sozialdemokraten und Volkspartei. Der österreichische Filz dieser zweier Staatsparteien war noch größer als der in Deutschland. Und doch gelang es dem freiheitlichen Politiker Jörg Haider, dieses Kartell zu brechen, und er steht nun kurz vor der Beteiligung seiner Partei an der Bundesregierung.

Von einem solchen politischen Umbruch sind wir in Deutschland noch weit entfernt. Das österreichische Beispiel wird auf Deutschland aber ausstrahlen. Wir stehen so vor einer Neuordnung des Parteiensystems und vor seiner möglichen Erweiterung. Dies wäre nicht zum Nachteil der Demokratie.


 
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