© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/00 28. Januar 2000

 
Jörg Haider: Österreichs weltweit bekanntester Politiker ist seit über 25 Jahren aktiv im Geschäft
Der Volkstribun feiert fünfzigsten Geburtstag
Andreas Mölzer

Nun ist es auch schon wieder 50 Jahre her, daß man Jörg Haider gebar", würde einer der populärsten Glossenschreiber des Alpenlandes wohl formulieren. Tatsächlich ist der Oppositionsführer und FPÖ-Chef am 27. Januar in sein sechstes Lebensjahrzehnt eingetreten, in ein Alter also, in dem der Durchschnittsösterreicher gemeinhin an die Frühpension denkt. Er hingegen allenfalls an irgendwelche Marathonläufe oder Gipfelstürme im Montblanc-Massiv.

"Peter Pan muß erwachsen werden", titelt ein Zeitgeistmagazin in Anspielung auf die Juvenilität des Oppositionsführers. Daß dieser aber seit 25 Jahren als politischer Vollprofi die rot-weiß-rote Innenpolitik gravierend mitbestimmt, scheint da nicht ganz klar zu sein. Damit ist Haider tatsächlich der Politiker mit dem längsten Atem in der jüngeren österreichischen Geschichte. Während seiner Aktivität als Spitzenpolitiker hat er mit Bruno Kreisky, Fred Sinowatz, Franz Vranitzky und Viktor Klima schon vier SPÖ-Chefs an sich vorüberziehen sehen. Die ÖVP-Parteiobleute dieser Zeit sind namentlich geradezu schon vergessen. Haider jedoch gilt noch immer als die Hoffnung der österreichischen Innenpolitik, wobei es allerdings Wunschdenken sein dürfte, daß sich Franz Vranitzkys bösartiger Ausspruch bewahrheiten werde, daß Haider bloß der längstdauernde Kanzleranwärter der Republik sein werde.

Gegenwärtig entwickeln sich die politischen Umstände vielmehr so, daß es nachgerade zur rot-weiß-roten Binsenweisheit geworden ist, daß Haider unvermeidlich über kurz oder lang an die Tore des Ballhausplatzes klopfen wird. Für den 1950 in Bad Goisern geborenen Sohn aus vormals idealistischem nationalsozialistischem Elternhaus, der einen Werdegang im traditionellen nationalliberalen Lager, von der Pennalburschenschaft über den Turnerbund zur Akademischen Burschenschaft, bis hin in den Ring Freiheitlicher Jugend und in die FPÖ vollzogen hat, zweifellos die Erfüllung eines Lebenstraums. Er hat es geschafft, die Mitte der 80er-Jahre bei drei Prozent dahinkrebsende FPÖ zur tendenziell stärksten Partei der Republik zu machen. Aus dem nationalliberalen Kern des Lagers hat er eine breitgefächerte Protestpartei geschmiedet, in der allenfalls noch einige Spitzenfunktionäre, darunter er selbst, diesem traditionellen Dritten Lager entstammen. Telegen wie kein zweiter österreichischer Politiker in den letzten 20 Jahren, ein totaler Medienprofi und Kommunikator, hat er es geschafft, so etwas wie ein rot-weiß-roter Volkstribun zu werden. Ein Arbeiterführer für die von der SPÖ kommenden Wähler, der "bessere Bürgerliche" und auch ein guter Taufscheinkatholik für ehemalige ÖVP-Wähler, für die Jungen, Reichen und Schönen ein Vorzeige-Yuppie, für die Bodenständigen ein biederer Heimatverbundener.

Wie lange Jörg Haider der Politik noch erhalten bleibt, weiß er selber nicht. Nachdem er mehrmals in den vergangenen Jahren knapp vor dem Resignieren war, erreichte er sein vorläufiges Ziel, Kärntner Landeshauptmann zu werden. Nunmehr ist zweifellos der Ballhausplatz angesagt. Wenn Raab und Figl die prägenden Gestalten der frühen Zweiten Republik waren, Bruno Kreisky der Dominator auf dem Höhepunkt der Geschichte dieser Zweiten Republik, beherrscht Jörg Haider zweifellos die Mutationsphase dieser Republik rund um die Jahrhundertwende.

Bewundert von seinen Anhängern, geschmäht von seinen Feinden, viel und ungerecht diffamiert, stets aber im Mittelpunkt des Interesses stehend – das ist das Holz, aus dem Volkstribune geschnitzt sind.


 
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