© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/00 28. Januar 2000

 
Rüstung: Die Regierung koppelt den Waffenexport an Menschenrechte
Nationaler Alleingang
Alexander Schmidt

Im Streit um die Panzerlieferungen an die Türkei hat sich der kleine Koalitionspartner der SPD nun doch durchgesetzt und durch einen Beschluß im Bundeskabinett erreicht, daß deutsche Rüstungsexporte nicht mehr ohne weiteres möglich sein sollen. Damit stellt sich vorerst auch für den Export von 1.000 Leopard-Panzern in die Türkei die Frage des "Ja" oder "Nein" nicht mehr.

Nach einer Aufteilung der möglichen Empfängerländer in zwei Kategorien soll jetzt der Handel mit Kriegswaffen restriktiver gehandhabt werden. Zu der ersten Gruppe gehören neben den Nato-Ländern die Schweiz, Neuseeland, Japan und Australien. Für diese Länder soll die Genehmigung von Waffenexporten zum Regelfall werden. Alle anderen Länder werden ab jetzt in der Kategorie II geführt, in der die Ablehnung an der Tagesordnung stehen soll. Ein Export darf nur dann zugelassen werden, wenn die Menschenrechte in den Zielländern als gesichert angesehen werden können. In der Prüfung dieser Frage sollen künftig neben dem Europarat, den Vereinten Nationen, der OSZE und anderen internationalen Gremien auch die Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen berücksichtigt werden. "Vor Exporten von Kriegsgütern und sonstigen Rüstungsgütern, bei denen deutsche Zulieferer Verwendung finden, prüfen Auswärtiges Amt, das Bundesministerium für Wirtschaft und das Verteidigungsministerium unter Beteiligung des Bundeskanzleramtes, ob im konkreten Einzelfall die Voraussetzungen für die Einleitung von Konsultationen vorliegen", heißt es in dem beschlossenen Papier.

Exportiert ein beliefertes Land in Drittländer, an die durch die Bundesrepublik keine Waffen geliefert würden, muß dieses Land künftig damit rechnen, keine deutschen Produkte mehr zu erhalten. Immer am Jahresende wird ein Rüstungsexportbericht über die Ausfuhren des jeweiligen Jahres Auskunft geben.

Während die menschenrechtspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen diese Synthese als "vertretbaren Kompromiß" bezeichnete, kam aus den Reihen von CDU/CSU und der betroffenen Industrie Kritik. Die grüne Forderung nach einer parlamentarischen Kontrolle der Rüstungsexporte wurde auch jetzt nicht erfüllt. Weil künftig "beschäftigungspolitische Gründe keine Rolle mehr spielen dürften", so der Beschluß, sieht der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der an der Konferenz nicht beteiligt war, eine Gefährdung für Arbeitsplätze und Zukunftstechnologien in Deutschland. Es dürfe nicht dazu kommen, daß der auf Mindestkapazitäten reduzierten wehrtechnischen Industrie in Deutschland die Existenzgrundlage entzogen und die Bündnisfähigkeit zerstört würde. "Wehrindustrielle Ressourcen im eigenen Land sind neben nationalen Streitkräften eine wesentliche Grundlage für die Durchsetzung nationaler Belange in der Sicherheits- und Bündnispolitik", warnt der BDI. Weiter befürchtet die Industrie, daß auch im Rüstungsbereich bald Frankreich oder England führende Staaten sind, und Deutschland durch nationale Alleingänge immer weiter ins Abseits gerate.

Paul Breuer, verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, warnte ebenfalls vor einer Isolation Deutschlands und wies auf die Gefahr hin, daß durch die beschlossene Rüstungspolitik die gemeinsame europäische Sicherheitpolitik aufs Spiel gesetzt werde. Weiter könne von Planungssicherheit der Rüstungsindustrie keine Rede sein. Technologische Kompetenz, Kooperationsbereitschaft und Tausende von Arbeitsplätzen in der Hochtechnologie würden riskiert. Tatsächlich kann aber gerade durch die neuen Richtlinien der nächste Koalitionskrach hervorgerufen werden, weil die Richtlinien "schwammig" (Breuer) formuliert sind und die letzte Entscheidung für Exporte bei der Bundesregierung liegt. Die eher zur Nullösung bei Waffenexporten neigenden Grünen werden also nach dem vermeintlichen Sieg auch künftig noch die ein oder andere Niederlage schlucken müssen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen