© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/00 28. Januar 2000

 
Kino: "Anna und der König" von Andy Tennant
Westwind weht nach Siam
Ellen Kositza

Kommt eine jüngere Frau, alleinerziehende Mutter, aus dem viktorianischen England per Schiff ins ferne, fremde Siam, um des Königs Kinder zu unterrichten. Trifft dort auf unerhörte Hierarchien und patriarchalische Strukturen. Findet das unmöglich und krempelt den Laden um. Soweit das leicht verdauliche Grundgerüst des Films.

Spielte hier die Redakteurin einer westlichen Frauenzeitschrift Autorin? fragt man sich so manches Mal. Daß "Anna und der König" neben der zeitgeistkompatiblen Handlung mit Statistenmassen und bizarrer Exotik klotzt, kommt ihm allerdings zugute, und letztlich kann man sich nur schwer der Welt des alten Thailand entziehen. Herrscher Mongkut (faszinierend: Chow Yun-Fat), ein Gottkönig eigentlich, regiert sein Land mit eiserner Faust, als unnahbarer Despot erscheint er der Britin Anna (Paraderolle für Jodie Foster), unerhört die Anzahl seiner Frauen und Konkubinen, mit denen er gemeinsam seinen prächtigen Palast bewohnt. Die junge Witwe Anna soll nun die 58 Prinzen und Prinzessinnen in Naturwissenschaften und englischer Sprache unterrichten, auf daß Siam seinen Platz in der modernen Welt finde. Sowohl Anna als auch ihr Sohn Louis, ein rotziger Bengel, entsprungen wohl weniger viktorianischer Erziehung als dem Hirn des Drehbuchschreibers, tun sich schwer mit den fremden Sitten und den strengen Regeln des königlichen Palastes. Doch Wut und Trotz der englischen Lehrerin öffnen schließlich ein Fenster auch in des Königs Herzen – und Westwind weht nach Siam.

Im Zuge der Annäherung von moderner und traditionaler Welt erklärt sich Anna bereit, bei einem für die Zukunft Siams wichtigen hohen Besuch aus dem Westen die Choreographie der Repräsentation des königlichen Palastes zu übernehmen. Das heißt: humanistische Überschrift, lässiger Umgangston, Wiener Walzer, europäische Tradition eben. Ein Detail mag hierbei als Sinnbild stehen: Die Diener müssen Champagner servieren, vornehm das Luxusgesöff kredenzen. Das Problem: Wie falle ich vor der königlichen Hoheit in Achtung und Demut auf die Knie, wenn ich gleichzeitig kostbare Glasflaschen balanciere? Eben, es geht nicht. Und, so die innere Intention Annas – ist ein Kniefall denn überhaupt notwendig?

Letztlich jedoch wird es nicht glücken, alles zu entfernen, was der engagierten Britin ein Dorn im Auge ist. Der visionäre Mongkut regiert weiterhin einem absolutistischen Herrscher gleich, zelebriert etwa die mystische Hinrichtung einer untreuen Konkubine. Brisant wird die Lage, als sein Reich von außen bedroht wird – werden die Waffen der Frau hier hilfreich sein? Mit zunehmender Laufzeit vermag der Film seine Zuschauer tatsächlich zu fesseln.

Demnach, trotz imperialistischer Großkotzigkeit und unausstehlicher Jodie Foster: ein auf jeden Fall sehenswertes historisches Epos.


 
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