© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/00 04. Februar 2000


Impotenter Euro
von Bernd-Thomas Ramb

Hurra, der Euro ist gerettet. Die erlösende Botschaft überbrachte Bundesfinanzminister Eichel nach seiner Rückkehr aus Peking. Stolz wie Oskar vermeldete er die Absicht der Chinesen, den Großteil ihrer Dollarreserven in Höhe von 152 Milliarden in Euro-Reserven umwandeln zu wollen. Hatten diese etwa Eichels Prognose eines Steigungspotenzials des Euros aufgrund der neudeutschen Rechtschreibweise mißverstanden? Vielleicht glauben die Chinesen nun, der Euro wäre ein Potenzmittel und Eichel dessen Verkaufsleiter? In der Tat, wenn uns jeder Chinese auch nur zehn Euros abkauft, wären wir nach des Finanzministers Milchmädchenrechnung ganz schön aus dem Schneider und der steile Anstieg des Euros viagrahaft gesichert.

Oh, Eichel! Wie tief mußte das Ansehen einer Währung sinken, um die Höhe des Sachverstands eines EU-deutschen Finanzministers zu erreichen. Das heißt nicht, daß der Wechselkurs des Euros gegenüber dem Dollar nicht noch tiefer sinken könnte. Einige Währungsexperten rechnen nach dem Durchbruch der psychologisch wichtigen Dollarparität mit einem Bodenwert von 65 US-Cents pro Euro. Da hilft auch nicht das verzweifelte Gesundbeten der anderen EU-Finanzminister und einiger Zentralbankpräsidenten, darunter leider auch der deutsche, die allesamt ihr ängstliches Pfeifen im dunklen Walde dem ungeheuren Aufwertungspotenzial des Euros widmen. Fazit: Ist doch gut, wenn der Euro weiter fällt. Dann wird sein Potenzial immer größer. So macht man aus einer Schwäche eine Stärke, wenigsten virtuell. Man stelle sich eine Sportanalogie vor: Der unterlegene Boxer wird bejubelt, weil er das Potenzial zu einem spektakulärerem Comeback besitzt.

Die Methode der politischen Finanzwelt, die Realität für unwesentlich zu erklären, weil allein die Potenzfantasien politisches Handeln bestimmen dürfen, ist typisch. Täglich versuchen Politiker, die Realität durch Fantasien zu verdrängen, nicht nur in der Wirtschaftspolitik, aber dort mit besonders gravierenden Auswirkungen. Seit Jahren werden Wachstumsprognosen durch Wachstumsfantasien bestimmt, Arbeitsmarktentwicklungen aus Wunschdenken prophezeit und rezessionsbedingte Geldstabilität als Erfolg einer gekünstelten Euro-Währung propagiert. Wer jahrlang den Kopf in den Sand steckt, um der Realität zu entfliehen, und sich in traumhaften Wunschvorstellungen verliert, verhindert systematisch die Entwicklung einer modernen Volkswirtschaft. Die alte Weisheit "Jede Währung ist so (stark) wie die Wirtschaft" gilt weiterhin. Der Euro aber ist eine Traumtänzerwährung. Mit seinem Potenzversprechen wird er zur Lachnummer.


 
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