© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/00 04. Februar 2000

 
EU: Aufregung über FPÖ-Regierungsbeteiligung
In guter Gesellschaft
Heinrich Lummer

Die Menschenrechtspolitik mit ihrem Anspruch auf Universalität hat schließlich die Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes begründet. Wenn dies nicht allzu oft mit der Verwendung von zweierlei Maß verbunden wäre, wäre es wohl auch gut so.

Wenn aber Vertreter ausländischer Regierungen oder selbsternannte Tugendwächter den Parteien Österreichs vorschreiben wollen, mit wem sie nicht koalieren dürfen, dann hat das mit Menschenrechten nichts zu tun, sondern muß als Versuch verstanden werden, die demokratischen Rechte der Wächter und Parteien außer Kurs zu setzen.

Man nennt die inkriminierte Partei in der Regel "rechtspopulistisch". Ein schlimmerer Vorwurf fällt keinem ein und der wäre auch nicht gerechtfertigt. Aber rechts und populistisch zu sein, ist von Verfassungs wegen in allen Demokratien erlaubt. Wenn und soweit diese Partei euroskeptisch ist, hat sie mit ihrer Haltung in Großbritannien viele Freunde.

Soweit die FPÖ meint, man solle die Zuwanderung von Ausländern gehörig einschränken, vertritt sie eine Meinung, die von soliden Parteien in anderen Ländern der Union ebenso vertreten wird wie von vielen Wählern und nicht zuletzt dem deutschen Innenminister Otto Schily. Die FPÖ und Haider befinden sich in guter Gesellschaft. Das, was bleibt, ist das, wofür er sich entschuldigt hat. Eine solche Entschuldigung hat man ernst zu nehmen, obwohl sie meines Ermessens gar nicht nötig war. Denn natürlich kann in totalitären Staaten in speziellen Bereichen eine ebenso vernünftige wie solide Politik betrieben werden. Zumal es Bereiche gibt, wo Ideologie nicht zählt. Da muß man nicht nur an Autobahnen denken. Ein verbrecherisches Regime kann auch auf dem Arbeitsmarkt nützliche Ideen haben. Das zu sagen macht keinen zum Nazi. Im übrigen hat Haider keine Vergangenheit im terroristischen Vorfeld wie der deutsche Außenminister. Das abgekartete Spiel, mit dem man den österreichischen Präsidenten und die ÖVP unter Druck setzen will, ist ein übles Spiel.

Wer regt sich denn über die Kommunisten auf, die sich in allen möglichen Regierungen befinden? Die Repräsentanten jener Ideologie, deren böse Folgen im "Schwarzbuch des Kommunismus" beschrieben sind. An Haider geilt man sich auf, nach Moskau kriecht man unter dem Teppich. Auch Berlusconi hat seine Wurzeln nicht in der politischen Mitte. Und wenn die türkische Regierung sich von Rechtsextremen tragen läßt, erträgt man es wortlos. Es spricht alles dafür, daß die FPÖ in Österreich mit Ausländern besser umgehen wird als der Staat Israel mit Palästinensern.

Man soll also nicht mit zweierlei Maß messen. Und man soll zunächst vor der jeweils eigenen Türe kehren. Der Europa-Rat war bisher nicht in der Lage, Rußland, das massiv gegen die Grundsätze des Rates verstößt, die Türe zu weisen. Rußland wurde aufgenommen nach dem Prinzip Hoffnung, und Rußland wird geschont nach dem Prinzip Hoffnung. Man hoffte, es werde sich würdig erweisen. Für den Einsichtigen waren die Aussichten bei der Aufnahme in den Europa-Rat gering. Es gab nur einen deutschen Abgeordneten, der gegen die Aufnahme Rußlands stimmte.

Jörg Haider ist Landeshauptmann, das heißt Ministerpräsident in Kärnten. Seine Partei vertritt etwa ein Drittel der österreichischen Wähler. Bei Neuwahlen wäre sie möglicherweise die stärkste Partei. Gut, wenn sie verfassungswidrig wäre, müßte man sie bekämpfen und womöglich verbieten. Aber weder die FPÖ noch Haider verstoßen im Sinne unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung gegen die Verfassung. Aber draußen gibt es viele Heuchler und Besserwisser, PC-Akteure und selbsternannte "Oberlehrer", die andere Mores lehren wollen.

Man möchte hoffen, daß die Österreicher hart bleiben. Diese bösen Spiele dürfen keinen Erfolg haben. Schon die Waldheim-Story war schlimm genug. Wenn Österreich hart bleibt, wird dies auch für andere ein gutes Beispiel sein. Vergleichbare Situationen sind andernorts nicht ausgeschlossen.

Im übrigen ist es eine alte Erfahrungsweisheit, daß Druck von außen die Gruppen im Inneren zusammenschweißt. Auch Klestil und Klima müssen die Wahl- und Entscheidungsfreiheit der österreichischen Parteien verteidigen. Heinrich Lummer

 

Heinrich Lummer, ehemaliger Innensenator von Berlin, war bis 1998 CDU-Bundestagsabgeordneter. Aktuelle Buchveröffentlichung: Deutschland soll deutsch bleiben (Tübingen 1999)


 
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