© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/00 04. Februar 2000

 
Kohl und die Medien: Fremdkörper in einer feindlichen Welt
Anrufe aus dem Bungalow
Andreas Wild

Helmut Kohl und die Medien, das ist eine unendliche Geschichte, die in diesen Wochen des Spendenskandals und des Ehrenworts nun endlich ihren Abschluß zu finden scheint. Es war ein jahrzehntelanger Boxkampf mit mancherlei dramatischem Auf und Ab, aber das Resultat ist eindeutig: Sieg und Punkt für die Medien mittels k.o. Kohl liegt besinnungslos am Boden, und die Frage ist nur noch, ob er durch einen Volltreffer des Gegners gefällt wurde oder ob er die Niederlage eigener Unbedachtsamkeit und Überheblichkeit zu verdanken hat.

Die Medien spielten im "System Kohl" eine eher sekundäre Rolle. Der Ex-Kanzler und Ex-CDU-Vorsitzende verachtete sie im Grunde und ließ es ihre Vertreter auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit wissen. Aus seiner langen Partei- und Ministerpräsidenten-Karriere in Rheinland-Pfalz war er an Journalisten gewöhnt, die für Provinzblätter schrieben und mit den lokalen oder regionalen Politikern unter einer Decke steckten, die im Grunde Hiwis für die Politiker waren und sich auch so behandeln ließen. Man brauchte sie nur einmal auf eine Auslandsreise mitzunehmen oder ihnen eine "Exklusivnachricht" zuzustecken, und schon hatte man sie sicher an der Leine.

In den Bonner Jahren trat dann eine weitere, konträre Erfahrung hinzu. Kohl bekam es da mit dem linken Meinungskartell aus den großen Fernsehanstalten, aus Spiegel, Zeit und Süddeutscher zu tun, die Satire-Magazine nicht zu vergessen. Er wurde als "Aussitzer" und "Birne" verhöhnt, jedes seiner Worte wurde auf die Goldwaage gelegt und für zu leicht befunden. Es war eine prinzipiell feindliche Welt, die den Bonner Oppositionsführer und späteren Kanzler von Anfang an umgab.

Diese doppelte Erfahrung also, die Willfährigkeit der Provinzblätter einerseits, der Hohn und die Verachtung der "Hamburger Medienmafia" andererseits, haben Kohls Stil im Umgang mit den Medien geprägt. Er vermochte immer nur Feind oder Untertan zu unterscheiden.

Die Feinde, so sie mächtig und unvernichtbar waren, galt es zu ignorieren, so zu tun, als seien sie gar nicht vorhanden, die Untertanen galt es zu domestizieren, sie die Faust spüren zu lassen und sie hin und wieder mit einer kleinen Morgengabe ruhig zu stellen. Ein Drittes gab es nicht, keine Freundschaft mit Chefredakteuren von gleich zu gleich, kein Dulden von möglicherweise unbequemen, aber durchaus "bürgerlichen", honorablen und unabhängigen Meinungen. Im "eigenen Lager" hatte stets Ruhe zu herrschen, und zwar Friedhofsruhe.

Den Feinden konnte die Ignoranz aus dem Bonner Kanzlerbungalow gleichgültig sein. Sie verfügten stets über genügend Zuträger aus der CDU/CSU und aus den Regierungsfraktionen, um optimal informiert zu sein und das Ihre zu sagen. Anders verhielt es sich mit den Medien aus dem "eigenen Lager", waren es nun Redakteure oder Rundfunkräte. Hier "griff" das System Kohl letztlich doch, auf vielfältige Weise.

Zwar gelang es keinem einzigen wichtigen Programmdirektor oder Chefredakteur, jemals einen ständigen Platz an der Tafel des Kanzlers zu besetzen, aber dessen Medienoffiziere – Ackermann, Fritzenkötter, Pfeiffer – verstanden es recht gut, Gunsthierarchien aufzubauen sowie in den (scheinbar oder wirklich) verbündeten Medien Aufseher und Söldner unterzubringen, die direkte Sendeaufträge aus dem Kanzleramt erledigten.

An vielen Orten verlagerten sich die Loyalitäten, weg von der eigenen Institution, hin zum Kanzleramt. Hatte ein Redakteur etwas geschrieben, das von Ackermann oder Fritzenkötter in die Kanzler-Pressemappe gelegt worden war und nach Lektüre allerhöchstes Mißfallen erregte, ging mit Sicherheit ein grober Anraunzer aus dem Bungalow an den entsprechenden Programmdirektor oder Chefredakteur. Der stellte sich dann nicht etwa schützend vor seinen Redakteur, sondern gab den Anraunzer, von ihm selbst noch verstärkt, an den Redakteur weiter. Für diesen kamen daraufhin, spätestens im Wiederholungsfall, schlimme Zeiten.

Natürlich ging es auf der anderen Seite kaum weniger ruppig zu, die interne Medienzensur aus der SPD-Barracke in den Sendern und auch in vielen Zeitungen funktionierte gnadenlos. Nur standen die linken Redakteure mit dem linken Zeitgeist und der "political correctness" im Bunde und verfügten in deren Schutz über ein ziemlich breites Argumentations-Spektrum.

Im System Kohl hingegen galt kein Zeitgeist und keine Correctness, sondern einzig der Wille des großen Vorsitzenden und seines ehern mit ihm übereinstimmenden Koalitionspartners Theo Waigel. Alles, was auch nur millimeterweit von deren Kurs abwich, sei es beim Umgang mit dem noch regierenden und in Bonn mit höchsten Ehren empfangenen Honecker, sei es bei der Einführung des Euro, wurde sofort niedergewalzt, mit in der Regel existenziellen Folgen für den Abweichler.

Darin mag mit ein Grund liegen für die an sich schier unglaublichen Haßausbrüche und Polemiken gegen Helmut Kohl aus dem "bürgerlichen Lager" in diesen Tagen, da der Koloß am Boden liegt. Man nimmt vielerorts Rache für tiefe Demütigung und kaltschnäuzige Abservierung. Das politische Mediengeschäft ist der Charakterbildung nicht unbedingt zuträglich. Und die Medien selbst spüren ihre wachsende Macht und nutzen sie aus. Es sich mit ihnen zu verderben, ist keinem Politiker anzuraten, am wenigsten einem, der bei ihnen stets nur Feinde oder Untertanen, nirgendwo Freunde gesehen hat.


 
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