© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/00 04. Februar 2000

 
Nordrhein-Westfalen: Ein Ende der Enthüllungen in der SPD-Flugaffäre ist nicht in Sicht
Rücktritte nicht ausgeschossen
Eckard Nickig

Auch nach dem Rücktritt des nordrhein-westfälischen Finanzministers Heinz Schleußer (SPD) ist die Düsseldorfer "Flugaffäre" nicht zu Ende. Erwartungsgemäß ist nun Johannes Rau (SPD) in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Schon ist analog zum "System Kohl" vom "System Rau" die Rede. Der Verfassungsrechtler Josef Isensee bezeichnete die Westdeutsche Landesbank (WestLB) gar als "schwarze Kasse" der SPD-Landesregierung. Nur mühsam und häppchenweise kommt die Wahrheit ans Licht. Die verworrene Affäre besteht aus mindestensdrei Aspekten:

Erstens: Der Verletzung des Haushaltsrechts durch die Benutzung der WestLB-Flugbereitschaft durch die Landesregierung, einschließlich der Frage der Verschwendung von Steuermitteln.

Zweitens: Der Frage, ob Johannes Rau die Flugbereitschaft auch für private Zwecke und Parteitermine benutzt hat.

Drittens: Der Frage, ob seitens der Landesregierung Akten und andere Unterlagen des Untersuchungsausschusses des Landtags manipuliert wurden.

An dem ersten Punkt gibt es nichts zu deuteln. Die Benutzung der WestLB-Flugzeuge durch Minister verstößt gegen parlamentarisches Haushaltsrecht. Denn die Aufwendungen für die Amtstätigkeit tauchen so nicht vollständig im Haushalt auf, beziehungsweise werden verschleiert. "Der Aufwand, den ein Minister treibt, muß Gegenstand der Kontrolle durch das Parlament sein", erklärt der Bund der Steuerzahler. Auch werden die übrigen Anteilseigner der WestLB mit unzulässigen Kosten belastet. Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) erklärte dazu, er gehe davon aus, daß ein Gewinnausgleich, also ein Abzug der Flugkosten von der Gewinnausschüttung des Landes, erfolgt sei. Doch konnte er dafür bisher keinerlei Belege vorweisen. Die Landschaftsverbände, die neben den Sparkassen Anteilseigner der WestLB sind, verlangen nun vollständige Aufklärung. In den jeweiligen Landschaftsversammlungen hält die CDU seit der letzten Kommunalwahl die absolute Mehrheit, so daß ihr hier ein komfortables Druckmittel zur Verfügung steht.

Der zweite Punkt bildet den Kern der Verteidigungsstrategie Raus. Da keine privaten Flüge vorlägen, sei alles korrekt abgelaufen. Während Rau zu Beginn der Affäre stets erklärte, es habe ausschließlich dienstliche Flüge gegeben, mußte er nun über seine Anwälte einräumen, daß es doch eine Verquickung von dienstlichen, parteilichen und Privatterminen gegeben habe. So flog er im Juni 1994 zum SPD-Parteitag nach Brandenburg, im Dezember 1993 erst zum Geburtstag des Altbundeskanzlers Helmut Schmidt und anschließend in den Urlaub. Im September 1994 flog er nach Hamburg zur Geburtstagsfeier seines Arztes und einer Wahlkampftour. "Kleinigkeiten, mit denen man einen Bundespräsidenten nicht behelligen soll", nennt dies der Medienberater der Landesregierung, Helmut Thoma.

Doch mit solchen Beschwichtigungen ist die Affäre nicht mehr zu stoppen. Schließlich steht die CDU-Opposition angesichts der Spendenaffäre der Bundes-CDU mit dem Rücken zur Wand. Sie will sich das Pfund der Flugaffäre bis zur Landtagswahl keineswegs aus der Hand nehmen lassen. CDU-Fraktionsvorsitzender Laurenz Meyer, der auch früher schon als "Wadlbeißer" eingesetzt wurde, legte in der vergangenen Woche während einer hitzigen Debatte im Landtag sogar Ministerpräsident Clement den Rücktritt nahe. Denn dieser habe dem Parlament über die Zahl seiner eigenen Flüge und die Verrechnung der Flugkosten mit der WestLB die Unwahrheit gesagt.

In der Tat stellt sich die Frage, was parlamentarische Anfragen noch wert sind. Mehrere Kleine Anfragen aus der Opposition wurden nicht wahrheitsgemäß beantwortet. Muß für jede Kleinigkeit ein Untersuchungsausschuß eingesetzt werden, um die Wahrheit zu erfahren? Mittlerweile gibt es vier solcher Untersuchungsausschüsse im NRW-Landtag.

Ein dunkles Licht auf den Filz an Rhein und Ruhr wirft schließlich auch die Tatsache, daß eine Mitarbeiterin des Finanzministeriums die Akten zur Flugaffäre, die für den Untersuchungsausschuß bestimmt waren, im Justizministerium sichten und auswerten und möglicherweise auch brisantes Material entfernen konnte. Der Obmann der CDU-Fraktion im Untersuchungsausschuß, Michael Breuer, nennt diesen Vorfall "ungeheuerlich". Auch wurde in der letzten Woche bekannt, daß Beamte des Landes immer wieder von der WestLB großzügig bewirtet wurden. Da wurden Spitzenbeamte des Justizministeriums von der WestLB auf Schloß Krickenbeck bei Nettetal eingeladen, mal wurde von der Bank ein Betriebsausflug des Finanzministeriums bezahlt. Der Briefkopf der Rechnung für diesen Ausflug mußte anschließend auf Verlangen der Bank geändert werden, wie Laurenz Meyer zu berichten wußte. Nichts sollte in den Unterlagen darauf hindeuten, daß die WestLB Finanzbeamte ausgehalten hatte.

Auch die Grünen werden langsam nervös. Sie fürchten, im Strudel der Finanzaffäre mitgerissen zu werden und verlangen, daß die scheibchenweise Aufklärung nun beendet werden müsse. Allerdings verweigern sie im Landtag zusammen mit der SPD eine Ausweitung des Untersuchungsauftrages des Untersuchungsausschusses auf alle Vergünstigungen, die Politiker von der WestLB erhalten haben. Der Ausschuß darf daher nur die Flugaffäre untersuchen. Den Grünen scheint die Koalitionsräson allemal wichtiger zu sein als den SPD-Filz aufzuklären.

Man darf trotzdem auf weitere Enthüllungen in der Flugaffäre gefaßt sein, Rücktritte nicht ausgeschlossen. Doch der Filz von über 30 Jahren braucht wohl seine Zeit, bis er vollständig ans Tageslicht kommt.


 
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