© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/00 04. Februar 2000


FPÖ/ÖVP-Regierung: Unpopuläre Sparmaßnahmen und Reformen stehen bevor
Zeit von Blut, Schweiß und Tränen
Andreas Mölzer

Politische Profis wissen es: Einschneidende und harte Reformen muß man immer unmittelbar am Anfang einer Regierungsperiode setzen, damit man dann in weiterer Folge hin zu den nächsten Wahlen wieder in der Beliebtheit bei den Wählern punkten kann. Ob das kolportierte 60-Milliarden-Loch im österreichischen Staatssäckel allerdings mit nur einem Sparpaket zu Beginn der Legislaturperiode gestopft werden kann, und ob nicht eine Reihe von Sparpaketen folgen müssen, ist höchst ungewiß. Auch die mittelfristige Sicherung der Pensionen durch verschärfte Bedingungen für den Frühpensionsantritt und andere Maßnahmen wird am Anfang einer möglichen neuen blau-schwarzen Regierung stehen. Ob da die Parteichefs von FPÖ und ÖVP vor den Bürger treten werden und wie weiland Winston "blood, sweat and tears", "Blut, Schweiß und Tränen" verkünden werden, bleibt abzuwarten. Unbedingt populär wird das Ganze jedenfalls nicht sein.

Dennoch sollte es möglich sein, so etwas wie Aufbruchstimmung im Lande zu erzeugen, indem nach 30jähriger sozialistischer Herrschaft die heiligen Kühe der sozialistischen Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik geschlachtet werden. "Law and order" statt Libertinage, ein neues Wertebewußtsein statt Hedonismus, die Förderung wirtschaftlicher Initiative anstelle der geschützten Werkstätten, Unternehmerfreundlichkeit anstelle von gewerkschaftlicher Verbalerotik, Gemeinsinn statt Gruppenegoismus. All dies wären die schönen Schlagworte, unter welchen so etwas wie eine "bürgerliche" Wende stehen könnte.

Wenn es aber so ist, wie Max Weber die Politik charakterisiert, nämlich als "geduldiges Bohren dicker harter Bretter", wird all dies wohl in kleinen und mühsamen Schritten angepeilt werden müssen, allzumal eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit im Parlament ja nicht möglich ist. Große Bereiche wie etwa die Sicherheitspolitik, die Frage der Neutralität und des Nato-Beitritts, könnten also nur unter Einbindung der Sozialdemokratie gelöst werden. Und diese wird sich wohl hüten. Auch die längst überfällige Verfassungsreform wird so wohl auf sich warten lassen. Obwohl – das kann man nach den Ereignissen der letzten Monate sagen – das Amt des Bundespräsidenten künftig gewiß einer Umwertung unterworfen sein wird, und das auch ohne Verfassungsänderungen hin zu einer Präsidialrepublik, wie sie Jörg Haider ursprünglich in seinem Konzept von der "Dritten Republik" vorhatte.

Die Wirtschaftsdaten seien günstig für Reformen, lassen uns die Experten wissen. "Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral", weiß Bert Brecht zu sagen. Und tatsächlich wird es wohl auch in Österreich in den nächsten Jahren so sein, daß die Bevölkerung notwendige Reformen nur dann positiv mittragen wird, wenn es keine allzu massiven Einbrüche im Wohlstandsgefüge des Landes gibt. Daß aber das Faulbett des spätsozialistischen Umverteilungs-Eldorados verlassen werden muß, dürfte sich landauf landab längst herumgesprochen haben.


 
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