© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/00 11. Februar 2000

 
Kolumne
Brüsseldoktrin
von Klaus Hornung

Der Quarantäne-Beschluß der EU-Oligarchie gegen Österreich ist mehr als ein Skandal. Er ist eine Selbstentlarvung der politischen Klasse in Europa und des ganzen Ausmaßes ihrer Heuchelei und ihres Mißbrauches der vielberufenen "Wertegemeinschaft" als Instrument des Machterhaltes einer ehrenwerten Gesellschaft aus sozialistischer Internationale, Monopolwirtschaft und Leitmedien, die nun die abgedroschenen Vorurteile der Political Correctness und die Instrumentalisierung der Faschismus-Keule auch in der Brüsseler Zirkuskuppel etabliert hat.

Doch Politik und Geschichte stehen, wie wir immer wieder belehrt werden, unter dem "Gesetz der ungewollten Wirkungen". Erste Umfragen zeigen, daß 70 Prozent der Deutschen den Brüsseler Versuch ablehnen, über ein Ergebnis freier Wahlen zu befinden und nach Gutdünken darüber zu entscheiden, welchen politischen Gruppierungen und Regierungen in der Gemeinschaft das "demokratische Gütesiegel" zuerkannt werden soll, und welchen nicht. Dann gehören natürlich Kommunisten und Ex-Kommunisten in westeuropäischen Regierungen zum Verfassungsbogen, und selbst "früheren Straßenkämpfern wird ein demokratischer Läuterungsprozeß zugestanden" (Berthold Kohler, FAZ). Aber nach "rechts" wird die Faschismuskeule je nach Bedarf gegen Konservative und aufmuckende sogenannte Modernisierungsverlierer hervorgeholt. Und auch bürgerliche Politiker, man denke an Chirac oder Aznar, sind immer wieder dabei, sei es aus feiger Prinzipienlosigkeit, sei es aus professionellem Ungeschick.

Es könnte aber sein, daß die Europa-Klasse dieses Mal ihr Konto überzogen hat. Unsere Öffentlichkeit beginnt zu erkennen, was "Menschenrechte" für gewisse Leute bedeuten und wie sie mißbraucht werden können. Zurecht hat Berthold Kohler die Parallele zwischen einstiger Breschnew-Doktrin und der freiheitsfeindlichen Brüssel-Doktrin hergestellt. Und Konrad Adam macht (ebenfalls in der FAZ) auf Toquevilles Lehre vom "demokratischen Despotismus" aufmerksam, der in der Entmündigung und Entwürdigung der Menschen beginnt. "Das geschieht."

Botho Strauß hat im "Anschwelenden Bocksgesang" mit Recht gesagt, das stete "Wehret den Anfängen!" des Antifaschismus sei inzwischen zur dünnen Verhüllung der Unfähigkeit geworden, selbst einen besseren zu setzen. Der dumm-dreiste Versuch der Europaklasse zur politischen Entmündigung der Bürger läßt aufmerken. Er ist nichts anderes denn als neototalitär zu qualifizieren. Hier gilt in der Tat: "Wehret den Anfängen!"

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaften an der Universität Stuttgart-Hohenheim


 
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