© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/00 11. Februar 2000


Noch nicht ausgesessen
von Michael Oelmann

Operation gelungen, Patient lebt. So oder ähnlich dürfte das christdemokratische Aufklärungsgeschwader um Schäuble, Merkel und dem flanellweichen Pulloverträger Wulf (legere Kleidung von Haider abgeguckt?) den Zustand ihrer Partei nach der internen Untersuchung der Schwarzkontenaffäre empfinden. Doch ganz so einfach sollte man die CDU nicht davonkommen lassen. Zum Sündenerlaß reicht das Geständnis nicht; wie man sich Besserung verspricht, gehört dazu.

Immerhin gehört zum politischen Stil der CDU neuerdings – freilich gezwungenermaßen – eine neue Offenheit, namentlich die nahezu tägliche Pressekonferenz, in der über die internen Untersuchungsergebnisse und Befragungen von Lütje, Weyrauch und Konsorten berichtet wird. Doch was herausgekommen ist, sind mehr Fragen denn Antworten. Die Parteispitze gibt sich zwar erleichtert, weil die Befürchtungen und Vermutungen über haltlose Zustände nun der Klarheit gewichen ist, daß diese wirklich vorgekommen sind. Aber über die Konsequenzen aus dem skandalösen Finanzgebaren hört man wenig.

So die Tatsache, daß über Jahre und Jahrzehnte ein Ander-Konten- und Kapitalfluchtsystem geführt wurde, für das laut CDU-Untersuchung keiner verantwortlich gewesen sein will und das noch nicht einmal der Große Vorsitzende gekannt haben will. Wenn dem wirklich so gewesen ist, sind die rechtlichen Implikationen nur die eine Frage, die beantwortet werden muß. Die andere, fast wichtigere Frage lautet, wie eine Partei über Jahrzehnte mit einer offensichtlichen Führungs- und Verantwortungslosigkeit hätte arbeiten können. Die (peinliche?) Beantwortung diese Frage darf der CDU nicht erlassen werden. Und sie muß sich dieser Frage selbst stellen, denn auch die staatsanwaltlichen und parlamentarischen Untersuchungen werden vermutlich nicht mehr bringen, als jetzt schon klar bzw. unklar ist.

Da hilft es auch wenig, wenn jetzt Kohl als Sündenbock auserkoren ist. Die Rolle des offenbar in Ansätzen schon senilen und in historischer Selbstverklärung enthobenen Altkanzlers ist ohnedies angesichts der nötigen Reformen eher beiläufig; die Ehrenwort-Frage eine lapidare. Die CDU wird mehr zu tun haben, als sich ihres Übervaters zu entledigen. Lediglich vom NRW-Wahlkämpfer und Parteivize Rüttgers hört man Töne, wonach die Partei(en) strukturell Macht abgeben müßten. Die CDU wäre klug beraten, wenn sie beim Thema Reduzierung des Parteienstaates eine Vorreiterrolle einnähme. Dazu müßten wohl kurzfristig Mittel-, Macht- und Wettbewerbseinbußen in Kauf genommen werden.


 
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