© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/00 11. Februar 2000


Scharfrichter und Nullen
von Richard Stoltz

Wie sehen Sieger aus, wie Verlierer? Seit Erich Böhmes sensationeller ntv-Talkshow mit Jörg Haider weiß man es. Die linken Säulenheiligen Ralph Giordano und Freimut Duve, die eingeladen worden waren, um den Kärntner "Rechtspopulisten" als leibhaftigen Gottseibeiuns vorzuführen, ihn als "Nazi" zu entlarven, wurden selber vorgeführt, wurden selber entlarvt, und zwar als potenzierte Nullen. Selten ging ein Schuß derart dröhnend nach hinten los wie der versuchte televisionäre Schauprozeß gegen Haider vom vergangenen Sonntag. Es war wirklich ein Lehrstück der besonderen Art.

Dabei mußte sich der Österreicher rhetorisch nicht einmal anstrengen, er brauchte die angemaßten Scharfrichter nur zetern und spucken zu lassen; sie blamierten sich ganz von allein. Die Faschismuskeule, mit der sie pathetisch herumfuchtelten, war aus Pappe. Das Vokabular, das sie verwendeten, war von vorgestern. Man hatte den Eindruck, als sprächen hier zwei aus dem Urwald in zivilisierte Breiten versprengte Neandertaler, deren Idiom niemand versteht, höchstens die Paläontologen.

Haider wirkte vor diesem Hintergrund noch zutraulicher und moderner, als er vielleicht ohnehin ist: ein gutgelauntes, höfliches, wohlerzogenes Nachkriegskind, das gelernt hat, auch an heißen Tagen das blütenweiße Oberhemd von Schweißflecken frei zu halten und in jedem Fall die Kirche im Dorf zu lassen, was auch passiert. Nach diesem Auftritt war selbst dem letzten Zuschauer/Zuhörer klar, daß in Österreich ein völlig normaler demokratischer Regierungswechsel stattgefunden hat und weiß Gott keine "Machtübernahme" à la Heldenplatz 1938.

Nach dieser Böhme-Talkshow ist freilich auch klar, daß Haider in Schröder-Deutschland nun nie mehr zu irgendwas eingeladen werden wird. Normalsprachige Zeitgenossen, die gelernt haben, sich zu benehmen, sind hierzulande unerwünscht. Wer sich mit ihnen zusammen sehen läßt, ohne sofort in Hysterie zu verfallen und Betroffenheits-Gestammel von sich zu geben, macht sich verdächtig, wird ein Fall für den Verfassungsschutz und für den Staatsanwalt.

Insofern hat sich der liebe Erich Böhme in eine fatale Lage gebracht. Seine Gier nach dem journalistischen "Scoop", sein Eifer, Sabine Christiansen (die Haider bekanntlich zu ihrer Show erst eingeladen und dann verfassungsschutzkonform wieder ausgeladen hatte) zu überflügeln, hat ihn alle Vorsicht vergessen lassen. Die brave Moderatorin war doch schlauer. Eine öffentliche Entschuldigung Böhmes ist überfällig. Oder am besten gleich eine neue Talkshow mit Egon Krenz als Shooting-Star.


 
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