© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/00 11. Februar 2000

 
LOCKERUNGSÜBUNGEN
Konsumbedürfnisse
Karl Heinzen

Marken haben für Kinder und Jugendliche eine groe Bedeutung. Für gelernte und beliebte Produkte gibt die Mehrzahl von ihnen bereitwillig einen Teil des Taschengeldes aus, weiß Gerhard Gladitsch, Geschäftsführer der Messe Frankfurt, als überraschendes Resultat einer GfK-Studie zu berichten. Die Unter-nehmen sollten daher möglichst früh damit anfangen, ihre Marken in das Bewußtsein jüngerer Mitbürger zu rücken. Ein Appell, der von vielen bereits befolgt wird. Niemand kann es sich heute leisten, Kinder zu unterschätzen – weder hinsichtlich der Beträge, über die sie direkt oder indirekt verfügen, noch bezüglich ihrer Fähigkeit, sich unabhängig von den gegebenenfalls bereits angeeigneten Lese-, Schreib- und Rechenkenntnissen selbständig über den Konsum geeigneter Produkte einen Platz in der Welt der Gleichaltrigen zu suchen. Wer mit acht Jahren bereits für bestimmte Marken gewonnen wurde, ist von der Konkurrenz später nur noch mit aufwendigem Marketing aus seinen Gewohnheiten herauszubrechen. Da uns die historischen Kontinuitätsbrüche ausgegangen sind, ist es sogar mehr und mehr möglich, diese wissenschaftlichen Ergebnisse in der Alltagserfahrung bestätigt zu finden: Markentreue von der Kindheit bis ins fortgeschrittene Alter kann heute jeder an sich selbst und in seiner nächsten Umgebung beobachten. Der Konsum ist aus den Bemühungen um eine Stabilisierung individueller Identität längst nicht mehr wegzudenken.

Marken sind es, die die Konsumenten- souveränität erst möglich machen. Sie bieten jene Orientierung, die den Verbraucher davor bewahrt, sich in der potentiell unübersichtlichen Vielfalt des Angebotes zu verlieren. Insbesondere jüngeren Menschen kann dies eine Hilfe in der Doppelbelastung sein, einerseits einen gewissen sozialen Status zu demonstrieren und sich andererseits in die komplexe Rolle des am Markt Nachfragenden hineinzufinden. 85 Prozent der Zielgruppe zwischen 8 und 14 Jahren schätzen daher Geschenk- oder Gebrauchsartikel, bei denen bestimmte Schriftzüge oder Logos von Marken aufgedruckt sind. Bei Bekleidung zum Beispiel vertrauen sie auf die guten Namen von Bayern München, Adidas, Borussia Dortmund, Coca-Cola und Nike. So reift Verhaltenssicherheit beim Kauf und im Umgang mit anderen: 60 Prozent der Befragten wollen die Aufdrucke, weil ihre Freunde sie ebenfalls mögen. Das Erziehungskonzept der Markensozialisation muß dabei gar nicht einmal mit einem eindimensionalen Gebrauchsnutzen verwässert werden: Über die Hälfte der Jungen und Jüngsten gibt an, die Produkte mit Aufdrucken zu sammeln.

Es sind also nicht die Kinder, die den Markenherstellern Sorge bereiten müssen, es sind die Eltern, die es zur Einsicht in unabänderliche Konsumbedürfnisse der jungen Generation zu bewegen gilt. Wer Kinder an die Welt der Erwachsenen heranführen will, darf in ihren Dialog mit den Markenherstellern nicht eingreifen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen