© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/00 11. Februar 2000


Norman Finkelstein
Der Tabubrecher
von Alexander Schmidt

Wieder einmal wirft ein Buch zum Dauerthema "Holocaust" lange Schatten voraus. Im Juli erscheint in den USA eine Studie mit dem provokanten Titel: "The Holocaust Industry - An Essay on the Exploitation of Jewish Suffering". Im Gespräch mit der Berliner Zeitung hat jetzt der Verfasser seine im Untertitel pointierte These von der "Ausbeutung jüdischen Leidens" am Beispiel der Schlacht um die Zwangsarbeiterentschädigung erläutert. Zu den härtesten Vorwürfen gehört dabei, daß die auf jüdischer Seite federführende Jewish Claims Conference (JCC) in den 50ern schon einmal geleistete Zahlungen an "Sklavenarbeitern" vorbei für sich selbst oder für Israel zweckentfremdet habe. Und daß die JCC jetzt mit krass nach oben manipulierten Zahlen den Kreis Anspruchsberechtigter ausweite, um so astronomisch hohe Beträge zu erpressen, die erneut in eigenen oder den Kassen ihrer Krokodilsanwälte verschwinden würden.

Die Berliner Zeitung wertet solche Anklagen erschrocken als "Tabubruch". An der wissenschaftlich-moralischen Integrität des Tabubrechers wagt sie nicht zu zweifeln. Das wäre bei Norman Finkelstein für deutsche Jounalisten auch ein peinliches Unterfangen. Finkelstein, Jahrgang 1953, artikuliert sich in der Aura der Opfer, die ihn als Abkömmling polnischer Juden schützt. Der an der New Yorker City University lehrende Politologe verweist oft darauf, daß seine Eltern Majdanek und Auschwitz überlebten, Verwandte von ihnen aber dem "Judäozid" zum Opfer gefallen seien.

Dieser Hintergrund festigte seine Position auch, als er 1997 internationalen Ruhm erntete mit einer vernichtenden Kritik an Daniel J. Goldhagens aberwitziger Konstruktion eines genetisch fixierten deutschen Judenhasses. Nur Finkelstein durfte sich dabei so weit vorwagen, die von Goldhagen einmal mehr dogmatisierte "Einzigartigkeit" des "Judäozids" als Symptom eines "absoluten Deliriums" anglojüdischer "Holocaust-Ideologen" zu geißeln. Damals verwies er bereits darauf, welche Bedeutung diese Ideologie für jene zionistische Lobby hat, die seit Jahren, mit Sammelklagen drohend, Milliarden eintreibt. Ganz neu war das freilich nicht. Denn 1987 hatte Leon W. Wells anhand der Verbandsinterna des Jewish American Congress nachgewiesen, daß das Schicksal europäischer Juden die US-Zionisten bis 1945 kalt ließ. Erst als es materiellen Nutzen zugunsten Israels versprach, hätten sie Hitlers Opfer kapitalisiert.

Auf deutsch erschien das Wells-Buch 1989 fast unbeachtet in einem kleinen, liberalen Verlag. Finkelsteins Goldhagen-Kritik kam im Hildesheimer Claassen Verlag heraus, der auch nicht eben zu den Marktführern zählt. Man darf gespannt sein, ob sein jüngstes Werk über die boomende "Holocaust-Industrie" einen namhaften deutschen Verleger findet, der zum Tabubruch so entschlossen ist wie dieser Autor.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen