© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/00 11. Februar 2000

 
Meldungen

Ungarn zeigt sich von EU-Reaktionen überrascht

BUDAPEST. Vorsicht und Zurückhaltung prägen die Reaktionen der ungarischen Mitte-Rechts-Regierung von Premier Viktor Orbán. Der ehemalige Dissident und heutige liberal-konservative FIDESZ-Politiker zeigte sich überrascht vom einhelligen und harten Vorgehen der EU gegenüber Wien. Die ÖVP/FPÖ-Koalition könne Österreich in eine schwierige Situation bringen. Außenminister János Martonyi teilt die Befürchtungen der EU, fügt aber hinzu: Die Lage Ungarns sei anders, als EU-Aspirant plane es keine Einschränkungen der Beziehungen. Ihren weiteren Standpunkt bilde die ungarische Regierung erst in der Kenntnis des Regierungsprogrammes sowie aufgrund der Politik des Wiener Kabinetts. Attila Bánk, Fraktionschef der zweitgrößten Regierungspartei, der rechtsorientierten FKGP (Unabhängige Kleinunternehmerpartei) vertritt die Ansicht, Ungarn als Nachbar und Nicht-EU-Land tue gut daran, sich nicht in die inneren Angelegenheiten der EU und Österreichs einzumischen. Höcht unterschiedlich sind die Reaktionen der Opposition. László Kovács, ex-Kommunist, dann sozialistischer Außenminister und jetzt Präsident der Sozialisten (MSZP), warnt, die Auswirkung der FPÖ-Regierungsbeteiligung werde sich zwar erst in der Praxis zeigen, die EU-Erweiterung könne jedoch in Gefahr geraten. Er bezeichnete den einheitlichen und harten Standpunkt der EU-Länder als wichtige Botschaft an die EU-Kandidaten. István Szent-Iványi, außenpolitischer Experte der linksliberalen SZDSZ, sieht den ungarischen EU-Beitritt in Gefahr und wirft der FPÖ vor, sie würde "die Fremden aus dem Land verweisen", was auch die an der gemeinsamen Grenze lebenden Ungarn beunruhige. Er hat Verständnis für die Zurückhaltung von Orbán und Martonyi, die ungarische Diplomatie dürfe aber keine Zweifel daran lassen, daß sie den Standpunkt der EU annimmt. István Csurka, Präsident der Großungarischen Rechtsaußenpartei MIÉP, die mit fünf Prozent im Parlament sitzt, nannte die Stellungnahme der Regierung vorbildlich, gleichzeitig bezeichnete er die weltweite Empörung aber als unwürdig. In einer Rede betitelt "Wien – Grosnys Partnerstadt?" verurteilte er die EU-Sanktionen, da sie den "Volkswillen der Österreicher" einschränkten. Für seine Partei sei der Erfolg Haiders erfreulich, da er eine weitere Station im Vordringen der "nationale Interessen vertretenden Parteien" bedeute.

 

Italienische Mitte-Rechts-Parteien uneins über FPÖ

ROM/MAILAND. Während die derzeitige Links-Regierung in Rom voll hinter den EU-Sanktionen gegen Österreich steht, fällt die Reaktion der Opposition höchst unterschiedlich aus. Silvio Berlusconi (Forza Italia) und Gianfranco Fini (Allianza Nazionale) waren sichtlich um Distanzierung von der Person Haider bemüht, Umberto Bossi (Lega Nord) hingegen nutzte die Boykottaufforderungen von Regierungschef Massimo D’Alema (ex-kommunistische PDS) gleich zum innenpolitischen Wahlkampfauftakt: "Die Lega Nord ist eine demokratische Partei, was man von D’Alema nicht behaupten kann", entrüstete sich Bossi. "Dieser ganze internationale Eklat ist ein Versuch der europäischen Linken, das zu bremsen, was nicht mehr aufzuhalten ist", meinte er weiter. Auch der ehemalige Christdemokrat und Langzeit-Premier Guilio Andreotti hält die EU-Reaktionen für übertrieben: "Was wirklich zählt, sei das Regierungsprogramm."


 
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