© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/00 11. Februar 2000

 
Kino: "The Million Dollar Hotel" von Wim Wenders auf der Berlinale
Ein grottenschlechter Film
Ellen Kositza

Die 50. Berlinale, der 20. Film in Wim Wenders 30jähriger Regisseurkarriere, eine ganzer Jubiläen-Haufen also, und doch: Gab es je in der Geschichte der Internationalen Filmfestsspiele in Berlin einen schlechteren Eröffnungsfilm?

Die Geschichte geht so: Das "Million Dollar Hotel" in Los Angeles ist eine schmuddelige Absteige für all jene Mitmenschen in der Stadt der Reichen und Schönen, die durch die Maschen des sozialen Netzes gefallen sind. Halbkriminelle, Alkoholiker und Verrückte hausen hier, begegnen sich auf den Gängen oder abends im Fernsehzimmer. Einer von ihnen war der Drogensüchtige Israel Goldkiss, der am Ende seines Daseins noch einmal sinnbildlich seinen Lebensweg nachvollzog: der Fall von ganz oben (als Sohn eines schwerreichen Medienzaren) hinab in die Gosse. Goldkiss’ Körper wurde zerschmettert auf dem Asphalt vor dem Hotel aufgefunden, scheinbar hat ihn jemand aus dem Fenster gestoßen. Hier setzt die Mission von Special Agent Skinner (Mel Gibson) an, gemäß Presseinfo ein "cooler und kompromißloser FBI-Agent". Er trägt ein High-Tech-Rückenstützkorsett – das soll seine Steifheit, seinen engen Blickwinkel symbolisieren. Skinner versucht, zwischen den Hotelbewohnern Intrigen zu spinnen, um endlich die Wahrheit über den Tod des Junkies zu erfahren. Skinners Ränke initiieren nun eine Liebensaffäre zwischen dem debilen jungen Hotelbewohner Tom Tom (Jeremy Davies) und der ebenfalls irren Eloise (Milla Jovovich).

Und um deren Beisammensein dreht sich im folgenden ein Großteil der Handlung. Tom Tom sagt zu dem Mädchen, das er sich zuvor nie anzusprechen traute: "Mann, Du rauchst aber ganz schön. Davon kann man sterben oder sogar Krebs kriegen." Das sagt er zweimal. Eloise erwidert: "Ich kann nicht sterben. Ich bin nicht existent." Dazu gitarrt schöne Musik von U2, wie es nun einmal alte Tradition in Wenders-Filmen ist. U2-Sänger Bono Vox durfte diesmal gar die Idee zum Drehbuch beitragen. Ach, Wim Wenders.

Es ist diese Art Kino-Liebesgeschichte, wie sie in Zeiten seelisch transparenter Partnerschaften und emanzipatorischer Beziehungsgymnastik immer beliebter werden. In solchen Film-Versionen pflegt grundsätzlich Juliette Lewis den weiblichen Part zu übernehmen: die leicht verrückte, irgendwie verwilderte Frau, eine andere Art femme fatale, naiv, dämonisch, absolut. Den anderen mit fast kindlicher Hingabe liebend, überaus lüstern dazu und im Inneren, aber nie ausgesprochen, ganz verletztlich. Vollkommen unreflektierte, rücksichtslose Lust und Liebe, einem unbeschwerten Kindheitsabenteuer gleich. Seelische Altlasten werden nicht rundgeredet, sondern dürfen als schicksalshafte Wirkmächte agieren, ohne bewußt gemacht zu werden. Juliette Lewis spielte solche Frauen in solchen Beziehungen unzählige Male, "Natural Born Killers", "Gilbert Grape" und "California" waren einige der Filme, in denen sie ihre Rolle prägte. Man könnte sagen, Lewis, leicht angeschrägt mit ihrem irren Blick, habe diese Figur für sich okkupiert – zumindest für Milla Jovovich ist sie nicht freigegeben. Jovovich als Psycho-Schlampe gleicht der Vorstellung, Claudia Schiffer würde im nächsten Derrick eine türkische Putzfrau spielen. Es gibt Sachen, die funktionieren schlechtweg nicht. Erschwerend hinzu kommt Jovovichs völliger Mangel an darstellerischem Talent. Auch wenn sie sich zum hundertsten Mal wirr und mit gestellt ungelenken Bewegungen am Nacken kratzt, wirkt sie dennoch als das, was sie ist: eine hochbezahlte Titelblattschönheit.

Die Arbeit mit "Wim" nennt Jovovich einen "Traum – wie ein Gebet". Wim, so orakelt sie weiter, sei "eine Art Gabriel Garcia Marquez". Doch das ist er eben nicht. Und er hat einen grottenschlechten Film gemacht.


 
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