© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/00 18. Februar 2000

 
Parteienfinanzierung: Union droht Bundestagspräsident mit Klage
CDU ruft zu Spenden auf
Alexander Schmidt

Sollten sich die Vorwürfe gegen die CDU wegen falscher Rechenschaftsberichte endgültig bewahrheiten und die Partei in voller Konsequenz zur Rechenschaft verurteilt werden, hört die Existenz einer großen Volkspartei bis zum Jahresende auf.

Nach dem am Dienstag verkündeten Beschluß des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse muß die CDU für das Jahr 1999 aus der staatlichen Parteienfinanzierung 41,3 Millionen Mark wegen des erwiesenermaßen gefälschten Rechenschaftsberichtes von 1998, der 18 Millionen DM nicht ausgewiesen hat, zurückzahlen. Gelingt der Union der Nachweis nicht, daß die Rechenschaftsberichte von 1989 bis 1998 alle Finanzzugänge korrekt ausweisen, sieht das Parteiengesetz weitere Strafgelder in dreifacher Höhe vor. Da die Rechenschaftsberichte von 1993 bis 1997 ebenfalls wegen des Verschweigens der hessischen Auslandsmillionen mangelhaft gewesen sind, könnte Thierse die staatlichen Mittel – jeweils etwa 75 Millionen Mark – zurückverlangen.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck geht davon aus, daß die Union im vollen Umfang verurteilt wird. "Die CDU war nicht Opfer, sondern Täter", so Struck angesichts der Klage, die Rüdiger Zuck, der Rechtsbeistand der CDU, wegen der "rechtswidrigen Entscheidung" Thierses einreichen werde. "Das Gejammere über den angeblichen Ruin ist reine Heuchelei", sagte Struck. Die Union verfüge über ein Vermögen von mehr als 120 Millionen Mark. Es handele sich hier nicht um einen finanziellen, sondern moralischen Bankrott, erklärte Struck.

In der Union beruft man sich auf das Gebot der Verhältnismäßigkeit, das auch im Fall der Union beachtet werden müsse. Matthias Wissmann, Bundesschatzmeister der Partei, geht nicht davon aus, daß eine Sanktion in Höhe von 41 Millionen Mark gerechtfertigt sein könne, "weil der korrigierte Rechenschaftsbericht, der nach bestem Wissen und Gewissen erstellt worden ist", objektiv nicht richtig sei. Wissmann beruft sich auf die noch aus Bundestags- und Europawahl angespannte Finanzsituation der Christdemokraten und bangt um die Fortexistenz seiner Partei, die jede "angemessene Bestrafung" annehme, die Folge des nicht transparenten Finanzgebahrens der Union sei.

Aus Bayern hat die CDU keine finanzielle Unterstützung zu erwarten. "Helfen können wir nicht", teilte CSU-Fraktionschef Alois Glück mit. Man sei selbst dabei, Schulden von 28 Millionen Mark abzutragen, für deren Tilgung nicht zuletzt auch Immobilien verkauft werden mußten.

Unterdessen haben die Republikaner die Entscheidung Thierses begrüßt. Parteichef Rolf Schlierer forderte den Bundestagspräsidenten auf, die auf die übrigen Parteien entfallenden Anteile der 41 Millionen Mark alsbald auszuzahlen. Ein Abwarten bis zur Bestandskraft des CDU-Bescheides sei nicht zumutbar, erklärte Schlierer. Der Republikaner-Chef rechnet für seine Partei mit einem Anteil von knapp einer Million Mark.

Inzwischen hat die CDU eine "Solidaritätsaktion" gestartet und ein Spendenkonto bei der Deutschen Bank Berlin eingerichtet. Generalsekretärin Merkel und Schatzmeister Wissmann appellierten an ihre Mitglieder und Förderer, die "finanzielle Schieflage" der Partei verbessern zu helfen.


 
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