© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/00 18. Februar 2000

 
Lebensschutz: "Donum Vitae" will die Beratungen mit Scheinvergabe fortsetzen
Notfalls auch gegen den Papst
Alexander Schmidt

Donum Vitae", eine Initiative des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), spaltet zur Zeit die Einheit des katholischen Lagers. Das Durchsetzen des Papstes in der Frage, ob die katholische Kirche aus der staatlichen Schwangerenberatung mit der Vergabe der umstrittenen Beratungsscheine aussteigen solle, führte dazu, daß sich am 24. September vergangenen Jahres in Fulda – der Stadt des glaubenskonservativen Erzbischofs Johannes Dyba, dessen Diozöse bereits vor der päpstlichen Weisung das System der Schwangerenberatung mit Scheinvergabe verließ – die Laieninitiative "Donum Vitae" (dt.: Geschenk des Lebens) gründete. Bis jetzt bestehen neben dem Bundesverband einzelne Landesverbände in Bayern, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Weitere Gründungen in nächster Zeit sind in Niedersachsen und Baden-Württemberg fest geplant, so Theodor Bolzenius, Presseprecher des Zentralkomitees und des Vereins "Donum Vitae" gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Bis zur Jahresmitte wolle man in jedem Bundesland über einen funktionierenden Landesverband verfügen. Dies sei besonders wichtig für handlungsfähige Organe, so Bolzenius, weil die Schwangerenberatung Aufgabe der einzelnen Länder sei.

Wie Bolzenius weiter erläuterte, will der Verein die bestehenden Beratungsstellen erhalten und neue eröffnen. "Die Frage der Finanzierung" sei zumindest in Bayern schon geklärt, beruhigt Bolzenius. Dort könne man von einer 90prozentigen Kostendeckung durch die Landesregierung ausgehen. Vorausgegangen war der Hinweis des ZdK-Präsidenten Hans Joachim Meyer, der davon ausging, daß mehrere Millionen Mark nötig seien, um den Verein finanziell ausreichend auszustatten.

Gegner der Entscheidung aus Rom kritisierten den Rückzug der katholischen Kirche aus dem Beratungssystem vor allem deshalb, weil 25 Prozent aller Frauen in den Beratungen vom Sinn des Austragens des ungeborenen Kindes überzeugt werden könnten. Das Bistum Fulda und das Erzbistum Paderborn vertreten hingegen die gegenteilige Ansicht. Sie unterstreichen, daß sich die katholische Kirche damit an dem Kindermord der übrigen 75 Prozent schuldig gemacht habe. Außerdem habe die katholische Kirche schon 1973, als es in Deutschland noch keine Beratungsscheine gab, eine Quote von 3.000 bis 4.000 geretteten Ungeborenen gehabt, wie der Osnabrücker Sozialethiker Manfred Spieker an anderer Stelle betonte.

Karl Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), sympathisiert mit "Donum Vitae", stellt aber unmißverständlich klar, daß eine Initiative, deren Ziel gegen die Meinung des heiligen Vaters gehe, nicht durch die katholische Kirche unterstützt werden könne. Noch heftiger kritisierte der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner die Pläne der Laienorganisation, die Konfliktberatung weiterzuführen. "Was Bischöfen und Priestern nicht erlaubt ist, kann Laien nicht erlaubt sein", so Meisner in Köln.

Rita Waschbüsch, Vorsitzende von "Donum Vitae", sieht ihren Verein dennoch nicht im Widerspruch zur ausdrücklichen Weisung des Papstes. "Die Weisung, aus der staatlichen Beratung auszutreten, gilt für die kirchenrechtlich eingebundenen Vereine, sie gilt nicht für bürgerliche Vereine", entgegnet Frau Waschbüsch. Dem widersprechen Kirchenrechtler wie Heribert Schmitz, Norbert Lüdecke und Werner Böckenförde, die von einem unvereinbaren Bruch mit dem Kirchenrecht ausgehen. "Die Gläubigen haben sich auch im Gebrauch ihrer persönlichen Freiheit nach der Lehre der Kirche zu richten", argumentiert Thomas Schüller in der Herder Korrespondenz. "Dazu gehört auch die Pflicht, Anordnungen, des Papstes oder des Diozösenbischofs mit christlichem Gehorsam zu verfolgen." Chancen für "Donum Vitae" bestünden nur dann, erklären Kirchenrechtler, wenn sich die katholischen Laien nur nach staatlichem Recht organisierten, ohne einen Bezug auf das Kirchenrecht. Dem stehen jedoch Formulierungen wie "katholisch" und "gläubig" innerhalb der Satzung gegenüber.

Unlösbare Schwierigkeiten sieht Meisner auch, wenn "Donum Vitae" den staatlichen Richtlinien gemäß anerkannt werden will. Mit den anderen nordrhein-westfälischen Bischöfen sei er zudem der Überzeugung, daß "Donum Vitae" in NRW zwangsläufig auch das vorgegebene Angebot zur praktischen Hilfe für eine Abtreibung in Kauf nehmen müsse.

Laut Satzung ist der Zweck des mittlerweile gemeinnützigen Vereines in öffentlicher Trägerschaft "die Förderung des Schutzes des menschlichen Lebens", wie es in einer vorläufigen Satzungsformulierung hieß. Erfüllt werden solle dieser Zweck durch das Bereitstellen von Finanzunterstützung für von ihm getragene oder anerkannte Beratungsstellen. Es habe eine reifliche Überlegung gegeben, bis es zur Gründung des Vereins kam, so Rita Waschbüsch. Es gehöre nach ihrer Auffassung zum christlichen Zeugnis, die Entscheidung gegen eine "Kultur des Todes" und für eine "Kultur des Lebens" auch dort zu praktizieren, wo die Gefahr der Tötung immer wieder droht, aber auch mit Erfolg abgewandt werden kann. "Man kann werdendes Leben nur mit der Mutter schützen, nicht gegen ihren Willen", so Theodor Bolzenius.

Der Erfolg des 700köpfigen Verbandes ist überraschend groß. Neben dem Sozialdienst der katholischen Frauen (SkF) mit 270 Beratungsstellen in ganz Deutschland und besonders monopolartig im süddeutschen Raum, denen nun auch die Streichung der Beratungsgelder droht, meldeten an dem bundesweit ersten Landesverband in Bayern auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und das Kolpingwerk Interesse an. Da aber auch der SkF der Weisung des Papstes nachkommen will und demnach aus der konventionellen Beratung aussteigen wird, bleibt die Zusammenarbeit mit "Donum Vitae" auch weiterhin zweifelhaft.

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern bot bereits das Dach des Diakonischen Werkes an, eine Offerte, die zwar dankend registiert, aber mit dem Verweis auf die bestehende Kooperation mit dem DRK zurückgewiesen wurde. Auch der Verband deutschsprachiger Moraltheologen und Sozialethiker, die deutsche Sektion der europäischen Gesellschaft für katholische Theologie, die Konferenz der deutschsprachigen Pastoraltheologen und der Bundesverband von Gemeindereferenten und Religionslehrern in den Diozösen begrüßten die Gründung von "Donum Vitae". Ebenso lang ist die Liste der prominenten Mitglieder, die von ZdK-Präsident Meyer über die SkF-Vorsitzende Maria Elisabeth Thoma, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), die Ministerpräsidenten Erwin Teufel und Wolfgang Vogel (beide CDU), den bisherigen Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer über Norbert Blüm (CDU) und CSU-Fraktionschef Alois Glück, die bayerische Sozialministerin Barbara Stamm (CSU) bis hin zum Präsidenten des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte, Alfred G. Hildebrandt. Dieser "hatte sich bis vor kurzem geweigert, eine Resolution von Bürgern entgegenzunehmen, die ihre Bedenken gegen eine Zulassung des Tötungspräparates RU 486 geäußert hatten", kritisiert die Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL), Johanna Gräfin von Westphalen. Einen überraschenden Sinneswandel hat auch die "Donum Vitae"-Vorsitzende Waschbüsch erfahren, die noch vor einigen Jahren konsequente Gegnerin der Beratung mit Scheinvergabe war.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen