© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/00 18. Februar 2000

 
Ausstellung: Piefkes, Krauts und Fritz im "Haus der Geschichte"
Der drollige Deutsche
Alexander Schmidt

Sind wir Deutschen tatsächlich ein Volk, das sich über Sauerkraut, Schneekugeln mit Heidelberg-Kulissen und Gartenzwerge definiert, dessen Dämon immer wieder ein kleiner Österreicher ist, und dessen einzige sinnstiftende Gemeinsamkeit im Wirtschaftswunder Erhards liegt?

In den Nebenräumen des Bonner Museums "Haus der Geschichte" findet seit November vorigen Jahres eine Ausstellung zu ebendiesem Thema statt, nämlich "Krauts – Fritz – Piefkes...? Deutschland von außen", in der Zeitdokumente über das Bild des häßlichen Deutschen oder braven Michel Aufschluß geben wollen. Trotz aller Warnungen zu Beginn und während des Rundgangs durch die Ausstellung, daß es kein einheitliches Deutschlandbild gäbe und somit die abgebildeten Klischees weder über-, aber auch nicht unterschätzt werden dürften, fallen Parallelen in den Darstellungen vieler ausländischer Beobachter auf.

Unterteilt werden können die Darstellungen in vier Phasen. Plakate, Titelblätter von Zeitungen und Ausstellungsstücke, die sich auf den Zweiten Weltkrieg beziehen, zeigen ausnahmslos den unmenschlichen Kriegsgegner, personifiziert in SS-Schergen. Versöhnlicher wird der Umgang mit dem Volk im Sonderstatus erst wieder in der Phase der Nachkriegszeit und dem deutschen Wirtschaftswunder.

Brav wurde die Umerziehung aufgenommen und die Welt spricht plötzlich Deutsch. Amerikanische Hippies in deutschen VW-Bussen, Nivea-Creme auf französischen Kinderpos und deutsches Bier an der italienischen Adria. Aus dem germanischen Werwolf entstand wieder der deutsche Michel, der seiner Identität beraubt, sich seine kleine Existenz zwischen Wohnanhänger, Jägerzaun und Konsumfreude aufbaut. Harmlos, und für das Ausland irgendwie drollig.

Mit der Wiedererlangung der deutschen Einheit wird die bisher so väterliche Stimmung rauher, schnell bröckelt auf den Titelseiten ausländischer Zeitungen und bei Kartonisten die Fassade des liebenswerten Mitteleuropäers. Deutschlands Darstellung beschränkt sich auf den vermeintlich erneut eingeschlagenen Weg mit der Pickelhaube zur Großmacht, der ganz Europa anheim zu fallen droht.

Erst in den späten Neunzigern sollte die Stimmung wieder versöhnlicher werden, schließlich merkte man irgendwann, daß der kleine Michel, wenn auch in der vereinten Nation, der kleine Michel geblieben ist. In Darstellungen ausländischer privater Betrachter, die den Ausstellungsbesucher begrüßen, kommt der durchschnittliche Deutsche weitaus besser weg, obwohl das Klischee des "typisch deutschen Piefke" oft durchscheint.

Die Ausstellung liefert einen Überblick über die Sichtweise auf uns Deutsche erst seit dem Dritten Reich und den damit verbundenen Bezügen. Dabei wird zu schnell vergessen, daß es ein Deutschland vor diesen zwölf Jahren gab, das den europäischen Kontinent auch positiv prägte. Davon findet sich nichts. Ebenso beschränkt man sich im Haus der Geschichte auf die reine Darstellung der Bilder und Zeitdokumente, eine Betrachtung auf die Entstehung der Klischees oder die Reaktion der Deutschen auf diese Klischees fehlt. Ein Blick in den Museumsladen macht das auch überflüssig. Neben Büchern stehen genauso die Gartenzwerge, Schneekugeln und andere Requisiten, die uns zu unserem Ruf als Sauerkrautnation verholfen haben. Und in dieser Ecke fühlen sich offensichtlich viele wohl. Über mangelnde Käufer bei den Biedermeierartikeln klagte die Verkäuferin im Museum nicht.

Letztendlich leistet die Exponateschau eins: seit Kriegsende beschränkt sich die deutsche Identität, im Spiegelbild ausländischer Karikatur, auf Oktoberfest, Boris Becker und eine mehr oder weniger funktionierende Wirtschaft. Daran hat auch die deutsche Einheit nichts geändert. Ob zwecks dieser ernüchternden Erkenntnis der Besuch der mit rund 700 Ausstellungsstücken umfangreichen und zeitweise unterhaltsamen Ausstellung zwingend ist, sollte sich jeder selbst beantworten.

Die Ausstellung im Bonner Haus der Geschichte ist noch bis zum 26. März jeweils dienstags bis sonntags von 9 bis 19 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei.


 
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