© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/00 25. Februar 2000


Meldungen

Bundeskanzler Schüssel verteidigt Haider

PARIS. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat den Obmann seines Koalitionspartners FPÖ, Jörg Haider, gegen Kritik in Schutz genommen. Haider habe sich geändert und sei ernsthafter und verantwortlicher geworden, sagte Schüssel der französischen Tageszeitung Le Figaro. Die Koalition mit der Volkspartei sei für die Freiheitliche Partei Haiders eine historische Chance. Diese Chance werde Haider nicht verspielen. Schüssel kritisierte erneut die Entscheidung der übrigen Staaten der EU, die bilateralen Kontakte zu Österreich einzuschränken.

 

Organisierter Anti-Haider-Protest in Brüssel

BRÜSSEL. In Brüssel demonstriertenen vergangenen Sonntag rund 12.000 Menschen – darunter 1000 Gewerkschafter – gegen die Beteiligung der FPÖ an der österreichischen Regierung. Linke Politiker, Prominente und Minderheitenvertreter zogen vom Hauptquartier der belgischen Sozialisten über Boulevards zur österreichischen Botschaft. Plakate wie " Papen + Hitler = Schüssel + Haider" oder "Laß uns Österreich impfen" wurden auf der vorwiegend francophonen Demo von der Internationale musikalisch untermalt. Selbst liberale Politiker wie Patrick Dewael – zurück aus dem Ski-Urlaub – nahmen teil. "Demonstrationen helfen", meinte der belgische Außenminister Louis Michel.

 

Schweizer wollen keine Sanktionen gegen Wien

BERN. Die Schweiz will sich nicht am diplomatischen EU-Boykott Österreichs beteiligen. "Wenn der Kanzler oder der österreichische Präsident oder ein Minister in die Schweiz kommen wollen, werden wir sie empfangen", sagte Regierungschef Ogi, Mitglied der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Außenminister Joseph Deiss sprach sich ebenfalls für einen Besuch aus. "Wir wollen die neue Regierung aufgrund ihrer Taten beurteilen und nicht aufgrund irgendwelcher Vorurteile", betonte Deiss. Bern wolle "gegen Österreich keine Sanktionen ergreifen und auch die Beziehungen nicht einfrieren". Persönlich würde er, Deiss, als Christdemokrat "nicht mit der FPÖ eine Regierung bilden". Auf Konfrontationskurs sind nur die mitregierenden Sozialdemokraten. Sie unterstützen die EU-Kritik an Österreich und fordern, daß Bern einen harten Kurs einschlägt. "Zweifellos sähe sich Haider lieber in der Rolle des Kanzlerkandidaten eines Großdeutschen Reiches", meint Franco Cavalli, Präsident der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion.

 

Helmut Schmidt kontra Gerhard Schröder

WIEN. Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) hat die internationale Reaktion auf die FPÖ-Regierungsbeteiligung als "übertrieben" bezeichnet. Der Aufstieg der "populistischen Partei Jörg Haiders" sei zwar eine "unerfreuliche Erscheinung", auf die allerdings "übertriebene Reaktionen" gefolgt seien, sagte der Sozialdemokrat im französischen Fernsehen. Bundeskanzler Gerhard Schröder hält indes unbeirrt an den EU-Sanktionen fest. Seine Begründung: Der "undemokratische Rechtspopulist" Jörg Haider dürfe kein deutsches Problem werden. "Diejenigen, die uns international beobachten, haben nicht so sehr Angst vor Haider in Österreich, als vielmehr, daß sich Deutschland vor einem wie ihm nicht klar genug abgrenzt", sagte Schröder im Spiegel.


 
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