© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/00 03. März 2000

 
Hand ans Koppelschloß: Die "Braune Hilfe" rüstet sich für den Einsatz an der Front
Jungmädels in Uniform
Manuel Ochsenreiter

Helfen ist schon seit langer Zeit ein Abenteuer in Deutschland. Erste-Hilfe-Kurse, Pflicht bei Führerschein-Machern halten nicht das, was sie versprechen. Statt dessen hagelt es dort nützliche Tips, wie der, daß wenn man einem gestürzten Motorradfahrer den Helm abnimmt, und er daraufhin halswirbelabwärts querschnittsgelähmt ist, sein Leben lang Schmerzensgeld zahlen darf. Also besser: wegschauen und bloß Finger weg vom Unfallopfer!

Auch sonst verspricht das Rote Kreuz Unheil. In der Sendung Rache ist süß mit Kai "Nur-die Liebe-zählt"-Pflaume schockt uns der immerglückliche Moderator mit einer besonders geschmackvollen Racheaktion eines Show-Gastes. Dieser rächte sich an einer Verwandten damit, daß er eine halbverweste Ratte im Kopfstück einer Mund-zu-Mund-Reanimationspuppe versteckte – kotz. Das Publikum würdigte diese besonders ekelige Aktion durch möchtegern-verruchtets "buhhhhh"- alles verlogen, denn in Wirklichkeit amüsierten sie sich klammheimlich darüber. Genauso übrigens, wie bei dem schnauzbärtigen Tennissockenträger, der seiner 76jährigen Nachbarin per quasi-offiziellem Brief mitteilte, sie solle sich am nächsten Tag auf dem Friedhof zur Einäscheung einfinden- Deutschland im Jahr 2000. Vorsicht Humor! Harr Harr! Ansonsten gleicht das Rote Kreuz-glaubt man den Medien – ohnehin nur noch einem gigangtischen Selbstbedienungsladen mit hauseigener Gelddruckerei und Spendeneintreiberkolonne. Aufbegehren dagegen kommt von verschiedenen Seiten. Neben den ohnehin ständig "kritischen" unterbeschäftigten Naturkostkundinnen hat isch aber auch eine Gruppe von rechts gegründet, um den Rot-Kreuz-Sumpf trockenzulegen.

Um garantiert nicht mißverstanden zu werden, nennen sie sich seit 1998 "Braunes Kreuz" und stammen aus dem Umfeld des sogenannten "Nationalen Widerstandes", einem losen Verband "freier Kameradschaften" und nicht wirklich relevanten Partei NPD. Vorderster Zweck ist vor allem die Versorgung nationaler Demonstrationsteilnehmer, die nicht selten vom Roten Kreuz einfach "vergessen" werden. Ein löblicher Anspruch, der durch die unfreiwillig ironische Namensgebung wohl im Ansatz verhungern wird. Denn selbst der Deutsche-Stimme-Redakteur Jürgen Schwab fragt sich ernsthaft, "ob man mit dem Namen nicht ein allzu klischeehaftes Fahrwasser geraten ist". Zu deutsch:Warum wehren sich eigentlich die Aktivisten der NPD und Kameradschaften noch gegen NS-Vorwürfe von offizieller Seite, wenn sie sich dann doch wieder eindeutig-zweideutig Braunhemdorientiert zeigen. Warum Dönitz, wenn dann doch Hitler?

Gewohnt knackig und voller stillgestanden auch die Präambel des Deutschen Roten Kreuzes im Jahre 1941, mit dem Schwab schwärmerisch seinen Artikel beginnt: "Kampf war, ist und bleibt ein naturgegebenes Element des Lebens. Die Idee des Helfens verkörpert das ritterliche Moment im Kampf der Völker untereinander. Sie bildet eine Insel der Hilfsbereitschaft für die durch die Waffen des Kreiges Getroffenen. Sie dient der Erhaltung des Lebens und der Gesundheit, der besten Söhne der Nation, der Soldaten. Sie fordert von denen, die das Zeichen der helfenden Organisation tragen, den leztten Einsatz in der Erfüllung der hohen sittlichen Plicht, entsprechend germanischer Weltanschauung." Daß die Insel der Hilfsbereitschaft sich heute ausgerechnet im etwas unglücklichen Verschnitt-Outfit aus "Bund deutsche Mädel" und "Thälmann-Pioniere" präsentiert, wirkt daher tragikomisch.

Hugo Boss, Pflichtschneiderei für zeitbewußte Anzugträger und früher Designer einiger NS-Trachten, hätte heute wohl dringend davon abgeraten. Denn zu erkennen sind die Braunen Helfer, die vor allem "medizinisches Fachpersonal" zu gewinnen versuchen, an "Armbinde, Tuch oder Weste, Sanitätstasche" (mit dem braunen Kreuz versehen).

Mit Sorge erwartet man schon den nächten Fehlgriff "der Bewegung", wie sie sich selbst nennen. Wird es bald neben dem "Weißen Ring" einen "Braunen Ring" als Opferorganisation geben? Oder gar eine Gegenorganisation gegen die Grünen und die Grauen – "Die Braunen"? Warum schlagen sie bei allem gleich so unentspannt die Hacken zusammen und führen die Faust ans Koppelschloß? Wenigstens werden wohl die Animationspruppen der "Braunen Hilfe" von Ekel-Pseudo-Spaß à la Pflaumes Rache Show hoffentlich verschont – ansonsten droht Standrecht! Peng! Peng!


 
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