© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/00 10. März 2000

 
IWF-Chef: Statt Koch-Weser kandidiert Horst Köhler
Auf Knopfdruck
Michael Wiesberg

Nicht geeignet" sei er, der deutsche – und somit europäische – Kandidat für den Vorsitz des Internationalen Währungsfonds (IWF). Dies soll US-Präsident Clinton dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder per Telefon höchstselbst beschieden haben. Doch damit nicht genug: Folgt man dem Spiegel, dann belehrten US-Außenministerin Madeleine Albright und US-Finanzminister Lawrence Summers per Rundruf ihre Kollegen in den führenden Industriestaaten, daß die USA von dem deutschen Kandidaten Koch-Weser nichts hielten. Unverhüllter haben die Amerikaner selten den Kandidaten eines "befreundeten" Staates abblitzen lassen.

Koch-Weser hat aus der öffentlichen Demontage seiner Person durch die amerikanische Regierung unterdessen seine Konsequenzen gezogen und seine Kandidatur zurückgenommen.

Die hier und da vorgetragene These, die USA wollten mit ihrem Vorgehen der EU einmal mehr demonstrieren, wer die "einzige Supermacht" sei, ist allerdings zu wohlfeil, um die Motive der USA im konkreten Fall hinreichend zu erklären. Es geht im Hinblick auf die Besetzung des Chefpostens beim IWF um wesentlich mehr als um eine Personalie. Es geht im Kern um eine Richtungsentscheidung über die künftige Politik des IWF. Die USA wollen, daß der IWF in Zukunft eine härtere Gangart gegenüber Schuldnerstaaten an den Tag legt. Den daraus erwachsenden Anforderungen soll Koch-Weser aus Sicht der USA deshalb nicht gewachsen sein, weil er "zu weich" sei.

Erklärtes Ziel der Amerikaner ist der Ausbau des Investitionsschutzes in monetären Krisensituationen. Dieser Schutz ist aus Sicht der US-Banken und Konzerne vor allem deshalb notwendig, weil der Anteil von Investitionen von Privatanlegern insbesondere in Entwicklungsländern stark zugenommen hat. Wenn der IWF die Investitionen von Privatanlegern im Krisenfall wirksam schützen soll, muß er aus Sicht der Amerikaner rigorose Auflagen durchsetzen können, sprich: die Folterwerkzeuge ansetzen können. Letztere haben in den vergangenen Krisen – beispielsweise in der Mexiko- oder Asienkrise – zu ganz erheblichen sozialen Spannungen in den betroffenen Staaten geführt. Diese sozialen Verwerfungen haben die IWF-Kritiker einmal mehr zum Anlaß genommen, die Methoden des IWF in Frage zu stellen. Zum anderen haben sie eine grundlegende Reform des IWF eingefordert. Der IWF müsse sich, so die Argumentation der Kritiker, auf Dauer in Richtung Sozialorientierung und Armutsbekämpfung verändern, was den Charakter des Fonds als monetäre Institution von Grund auf ändern würde.

Deutschland hat die monetäre Ausrichtung des IWF bis zum Regierungsantritt von Gerhard Schröder immer wieder herausgestrichen. Seitdem hat sich das deutsche Verhältnis zum IWF sichtbar gewandelt. Immer häufiger ist im Hinblick auf den IWF von sozialer Ausrichtung und Veränderung die Rede. Koch-Weser galt den USA als ein Exponent dieses aus ihrer Sicht ärgerlichen Wandels der deutschen Position.

Bundeskanzler Schröder scheint dies immer noch nicht begriffen zu haben. Denn der neue Kandidat, den Schröder nach dem endgültigen Rückzug von Koch-Weser zu schicken trachtet, der frühere Finanzstaatssekretär Horst Köhler, ist derzeit Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) in London. Köhler gilt als "Fan" von Helmut Kohl und war aktiv an den Finanzverhandlungen im Zuge der Wiedervereinigung beteiligt. Als Finanzstaatssekretär verhandelte er über die Milliardenzahlungen an die Sowjetunion und sorgte für die Bereitstellung der deutschen Milliarden für den Golfkrieg. Der 57jährige Familienvater war an der Ausarbeitung des Maastrichter Vertrages beteiligt und gilt als Verfechter des Euro. Er war als sogenannter "Sherpa" Kohls Beauftragter für die Vorbereitung der G7-Treffen. Nach seinem überraschenden Ausscheiden aus der Politik wurde Köhler im Oktober 1992 Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes. Im September 1998 wurde er zum EBWE-Chef ernannt.

"Sein Wort hatte Gewicht. Er war weit mehr als ein Taschenträger" erinnert sich der ehemalige Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg (CDU), der Köhler als Referent aus Schleswig-Holstein mit nach Bonn gebracht hat. Von einem "exzellenten Fachmann", der für den Posten "bestens geeignet" sei, sprach ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) nach dem Bekanntwerden der Kandidatur. Ob Köhler auf Grund der Fürsprache von Stoltenberg und Waigel auf weniger Mißtrauen von seiten der US-Regierung stoßen wird als Koch-Weser, ist nicht vorauszusagen.

Keiner bestreitet der US-Regierung das Recht, einen Kandidaten abzulehnen, von dem diese glaubt, daß er einen falschen finanzpolitischen Kurs einschlagen wird. Kritikwürdig ist allerdings die kaltschnäuzige Art und Weise, mit der die US-Regierung den Deutschen Koch-Weser in aller Öffentlichkeit demontiert hat. Dieser diplomatische Affront müßte den notorischen Weichzeichnern des deutsch-atlantischen Verhältnisses nachhaltig zu denken geben.


 
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